ALBANIEN
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  Politische Wochenchronik

                        Zweite Woche Dezember 1998

                      Die Albaner sollen selbst entscheiden.

Martin Nika

   1.Der "Orkan Berisha" endet als Gesäusel.

     Morgen wird unser Orkan ausbrechen. In ganz Tirana werden die Plätze eingenommen und der
     nationale Tag der Jugend wird ehrenvoll begangen werden. Wir sind die grösste politische Kraft
     Albaniens. Die Albaner werden wie ein Orkan ausbrechen um Azem Hajdari, der nicht mehr hier
     ist, das Symbol der Demokratie zu ehren. Dies waren die Worte des Oberhauptes der
     Demokraten Sali Berisha einen Tag vor dem "Orkan", d. h. am 7. Dezember.

     Die Opposition erklärt ebenfalls, dass die Staatsmacht nicht das moralische Recht habe an den
     Beginn der Studentenbewegung zu erinnern. "Ihr habt den 8. November, wir den 8. Dezember" hat
     die Führung der Partei, die von Berisha geleitet wird, erklärt. Es wurde angekündigt, dass der 8.
     Dezember noch ein spannungsgeladener Tag sein werde als der 14. September. Die
     Rechtspresse hatte ernsthaft gedroht, dass der 14. September nur ein kleiner Stich gegen die
     Regierung gewesen sei, während die wirkliche Erschütterung morgen statt finden werde. Der
     Ministerpräsident Majko sagte seinerseits, dass meine Minister sich nicht aus den Büros
     entfernen werden, wie dies das letzte Mal geschehen ist.

     "Es wir der Orkan der Opposition erwartet" - dieser Ruf hatte am vergangenen Wochenende einen
     Zustand der Beklemmung geschaffen. Die Polizei untersagte die Abhaltung eines Meetings auf
     dem "Skanderbeg - Platz" und es wurde gesagt, dass die Institutionen mit aller Härte, die das
     Gesetz kennt, vorgehen werde um die Wiederholung des 14. September zu verhindern. Der
     "Orkan Berisha" wurde jedoch einen Tag später nicht mal mehr als Gesäusel vernommen. Einige
     Dutzend Personen, "ehemalige Dezember - Studenten" versammelten sich auf dem "Demokratie"
     Platz in der Studentenstadt. Die Gründe, wieso die Dezemberisten erstens vor dem
     Studentengebäude, wo im Jahr 1991 der Hungerstreik durchgeführt wurde, eine Schweigeminute
     abhielten, sind nicht bekannt. Zum zweiten Mal hielten die Dezemberisten eine Schweigeminute
     vor der Kunstschule in der Nähe des Fernsehens von Tirana ab. Zum dritten Mal trauerten sie vor
     dem Zentralgebäude der Universität von Tirana. Zum vierten Mal trauerten sie vor dem
     Ministerpräsidentsgebäude. Und zum fünften Mal am Ort des Mordes am Abgeordneten Azem
     Hajdari.

     Zum Andenken der Dezemberbewegung enthüllte die Demokratische Partei ein Denkmal, das
     dem getöteten Abgeordneten gewidmet ist. Und wie bekannt wurde, wurde auch mit Hilfe der
     bescheidenen Beiträge der Bürger eine Erinnerungstafel für den ehemaligen Wächter Hajdaris
     angebracht. Aber niemand weiss wo, wann und von welcher Instanz der Beschluss zur
     Aufstellung des Denkmales gefasst wurde. Gemäss den Hauptverfassungsvorschriften, wie auch
     gemäss der neuen Verfassung, ist die Vergabe von historischen Anerkennungen, die auch
     Auszeichnungen, Medaillen, Denkmäler, Erinnerungstafeln umfassen, das ausschliessliche Recht
     des Staatsoberhauptes. Jedoch scheint die Feststellung eines deutschen Analytikers, dass
     Berisha einen Parallelstaat will und dass die Staatsmacht diesen toleriert, richtig zu sein. Es ist
     das zweite Mal innerhalb von kurzer Zeit, dass das Oberhaupt der Opposition die Rechte des
     Präsidenten Meidani in Anspruch nimmt ( miteingerechnet auch die Verkündigung der nationalen
     Trauer vom 13. September) und niemand zerbricht sich darüber den Kopf.

     "Der Orkan Berisha", von dem erwartet wurde, dass er Tirana erschüttern würde, ging an einem
     illegalen Meeting auf dem "Skanderbeg - Platz", an dem nicht mehr als 5'000 Personen
     teilnahmen, zu Ende. Die massive Abwesenheit am 8. Dezember dieses Jahres wird als grösster
     Misserfolg von Berisha und seiner Gruppe in diesem Jahr angesehen.

     Der nationale Tag der Jugend zeigte, dass keinesfalls die zwei aufeinanderfolgenden Feste vom
     28. und 29. November schuld sind, dass die Regierung und die Opposition getrennt festeten.
     Auch der 8. Dezember wurde auf diese Weise gefeiert. Während Berisha seine Leute beim
     Denkmal von Azem und nachher auf dem Platz versammelte, versammelten sich die Mehrheit der
     Figuren der Dezemberbewegung (Pashko, Zogaj, Imami, Gonxhe, Fevziu, Rama, Klosi, Majko,
     Ligesi und andere) im Saal der Kunstakademie zum " Nachdenken".

   2.Majdani - Vormund der nationalen Plattform

     Die Plattform zur Lösung der albanischen Nationalfrage, vorgesehen, dass sie zu Beginn von der
     Wissenschaftlichen Akademie Albaniens und der Wissenschaftlichen Akademie Prishtinas
     unterschrieben würde, ist in diesen Tagen als wissenschaftliches Dokument veröffentlicht worden
     und hat sogar unmittelbar die Unterstützung des Präsidenten Meidani gewonnen.

     Die Ausarbeiter der Plattform geben zu, dass ihr Ziel gewesen ist, dass die Albaner ein Dokument
     der Zusammengehörigkeit haben wie die Griechen "Megali - idhe - në" und die Serben "naçertanie
     - n", mit dem Unterschied, dass die albanische Plattform für keinen der Nachbarn eine Gefahr
     darstellt und die nationale Zukunft nicht zum Schaden der anderen aufbaut.

     Die Plattform anerkennt die Legitimität einer Schaffung einer albanischen Republik im ehemaligen
     Jugoslawien, als erste und dringliche Phase eines zukünftig höheren Status, der die Anerkennung
     und Respektierung der Selbstbestimmung des albanischen Volkes und die Respektierung des
     politischen Willens von Kosova festschreiben wird. In der Plattform wird Mazedonien als
     "Staatssubjekt" des internationalen Rechtes anerkannt, aber es wird verlangt, dass Mazedonien
     in einen "konföderativen Staat" der Albaner und Mazedoner umgewandelt wird. Während für die
     Albaner von Montenegro die Anerkennung eines neuen Status, als "autonome Region", mit der
     Hauptstadt Ulqin, verlangt wird. Das meist diskutierteste Problem der Plattform ist die
     Anerkennung der gegenwärtigen Grenzen.

     Da die Plattform zu Beginn des vergangenen Jahres ausgearbeitet wurde, als in Kosova noch
     nicht die Februarereignisse und die Befreiungsbewegung ausgebrochen waren, wird praktisch
     nicht über den "Faktor UÇK" gesprochen. Professor Kristo Frashëri jedoch, der die Hauptperson
     bei ihrer Ausarbeitung war, sagte, dass die UÇK innerhalb der Plattform den politischen Raum
     finden könne, von der Tatsache ausgehend, dass diese den gegenwärtigen politischen Zustand
     der Albaner ausserhalb der Grenzen nicht akzeptieren. Die Plattform anerkennt auch die
     Verpflichtungen des albanischen Staates gegenüber den Mitbürgern ausserhalb des Landes.

     Ein zweiter Schritt der Wissenschaftlichen Akademie zur Vertiefung der politisch -
     wissenschaftlichen Auffassung zu Kosova wird die Organisierung einer nächsten Konferenz zum
     55. Jahrestag der Konferenz von Bujan (31. Dezember - 2. Januar) sein, bei welcher zum ersten
     Mal mittels eines Abstimmungsbeschlusses, offiziell "der Wille zur Selbstbestimmung bis zur
     Abtrennung der Albaner von Jugoslawien und der Vereinigung mit Albanien" angenommen wurde.

   3."Wir haben keine politischen Forderungen"

     Rund 60 Studenten, organisiert von der Studentenunion, haben seit dem 10. Dezember einen
     unbefristeten Hungerstreik begonnen. Einen Tag später sagte der Bildungsminister Ruka, dass
     bis jetzt kein Dokument, in dem die Forderungen der Studenten geschildert werden, eingetroffen
     sei. Am 11. Dezember verlangte der Rektor der Universität sich mit den Studenten zu treffen, aber
     er wurde zu den Gesprächen nicht zu gelassen. Mittels eines Briefes sicherte der
     Ministerpräsident Majko den Studenten seine Bereitschaft zu offenen Gesprächen zur
     Entspannung der Situation zu. Die hungerstreikenden Studenten sagen, dass sie wegen
     wirtschaftlichen Forderungen, die mit der Erhöhung der Stipendien, der gratis Aushändigung der
     Literatur, der Erhöhung der Saläre der Pädagogen von über 50% und anderem zu tun habe, in den
     Streik getreten sind. Aber tatsächlich ist der Kern der Forderungen der Studenten: Das Auffinden
     des Mörders von Azem Hajdari, die Freilassung der ehemaligen Funktionäre des "demokratischen
     Staates" von Berisha, die wegen der Ereignisse im vergangenen Jahr verhaftet wurden und die
     Freilassung der Gefangenen des Staatsstreich vom 14. September.

     Die Oberhäupter der demokratischen Partei bestätigten während dieser Woche erneut, dass sie
     den Mörder Hajdaris kennen, aber sie beharrten darauf, dass sie weder vor dem albanischen
     Gericht noch vor dem norwegischen Staatsanwalt, der von den europäischen Institutionen zum
     Verfolgen des Problems delegiert wurde, als Zeugen aussagen werden, ausser vor einem
     internationalen, eigens zu diesem Zweck einberufenen, Gericht.

     Ende der vergangenen Woche hat sich auch der Sohn des Oppositionschefs Shkëlzen Berisha
     mit den Streikenden zusammengetan. Die Streikenden wurden nicht daran gehindert ihr Ziel zu
     verfolgen und die Autoritäten zeigten sich zu Kompromissen bereit. Aber die Polizei ist gegen
     jene Individuen eingeschritten, die mit Gewalt versuchten die Studenten am Eintreten zu den
     Vorlesungen zu hindern und sie zwangen sich dem Streik anzuschliessen. Ein schwerwiegender
     Zwischenfall ereignete sich ausgerechnet mit dem Sohn von Berisha, welcher während einiger
     Stunden nicht zu liess, dass die Türe der juristischen Fakultät für die versammelten Studenten
     geöffnet wurde. Die Polizei öffnete mit Gewalt die Türe um den wartenden Studenten die
     Möglichkeit zu geben die Vorlesung zu besuchen, während der Sohn Berishas auf das
     Kommissariat mitgenommen wurde, wo er einige Stunden behalten wurde. Gefragt, was er fühlte,
     als er von der Verhaftung des Sohnes erfuhr, sagte Berisha: "Ich fühlte kein besonders Missfallen.
     Er denkt, dass man sich mit den Studenten zusammentun sollte, sollen sie sich vereinigen".

   4.Ausländische Truppen in Kumanova für "Notfälle"

     Der Ministerpräsident Mazedoniens Georgievski sagte, dass der Beschluss zur
     Truppenstationierung der NATO in Kumanova zum Schutz der euro - amerikanischen Experten,
     die sich in Kosova befinden, "einer der wichtigsten Beschlüsse" seiner Regierung sei. In
     Kumanova, einer von vielen Albanern bewohnten Stadt, hat die Stationierung von mindesten 1'700
     Soldaten der NATO begonnen. Die neue Anwesenheit von ausländischen Armeen, die der euro -
     amerikanischen politischen Welt unter dem Namen "US - bat" (amerikanisches Bataillon) und
     "Nord - bat" (nordisches Bataillon) bekannt sind, beweist einmal mehr die Sorgfalt der
     internationalen Institutionen zur Isolierung der Krise in Kosova, um ihre Ausbreitung im Richtung
     Süden, besonders im Richtung des "heiklen Mazedonien", nicht zuzulassen.

     Die Autoritäten von Shkup haben den Beschluss für diese neuen NATO - Kräfte begrüsst. Es ist
     nicht bekannt, ob es einen internationalen Beschluss, z.B. des Sicherheitsrates, für diesem
     Schritt gibt. Im Unterschied zum vorgeschlagenen Fall vor einiger Zeit zur möglichen Intervention
     in Kosova, die die russische Diplomatie zwang zu erklären, dass Moskau sich gezwungen sieht
     die Beziehungen mit der NATO zu verändern, wurde in diesem Fall keinerlei kritische Reaktion
     vernommen.

     Die Stationierung der NATO - Truppen in Kumanova stimmt mit dem "neuen Vorschlag der
     Amerikaner für Kosova" überein, der den Partnern einzeln mittels des Botschafters Kristofer Hill
     mitgeteilt wurde und der auf beiden Seiten Missmut verursachte. Dieser Vorschlag beabsichtigt
     gemäss Hill, dass " die politische Lösung gegen die militärische ausgetauscht wird".

     "Der neue amerikanische Entwurf" für Kosova bietet einen "hohen" politischen und administrativen
     "Autonomiestatus" auf dem Niveau unter einer Republik. Der Aussenminister Albaniens Paskal
     Milo hat offiziell gegen Zuschiebung der gleichen Verantwortlichkeit in der Kosovakrise der "zwei
     "Seiten", gegen die namentliche Nichterwähnung der albanischen Frage und wegen der
     Behandlung der Kosovakrise nur als Friedensfrage der Region protestiert.

     Gemäss der offiziellen Version werden die NATO - Truppen in Kumanova keine militärischen
     Absichten haben und werden nicht als Sicherheitskräfte Mazedoniens dienen, sondern nur als
     "Bereitschaftseinheit" im Fall von Misshandlung der ausländischen Abgesandten und Experten,
     die sich in Kosova befinden um die humanitäre Situation kennenzulernen und um den
     provisorischen Frieden, der erreicht wurde, zu überwachen. Aber tatsächlich dient dies der
     Verstärkung der nächsten albanisch - albanischen Grenze, d. h. zwischen den Albanern in
     Kosova und jenen die in Mazedonien verbleiben.

   5.Die in die Luft gesprengten Elektrizitätsmasten vermehren die Kerzen

Schon seit einem halben Jahr, ausgerechnet im 30. Jahre der vollständigen Elektrifizierung des Landes,
hat eine Welle von systematischen Zerstörungen am Starkstromnetz des Landes (des einheitlichen
nationalen Systems) begonnen. Zu Beginn wurde einer der drei Transformatoren des Wasserkraftwerkes
von Fierz verbrannt und zerstört (für diese Handlung wird gesagt, dass auch die Geheimdienste der
Nachbarländer die Hand im Spiel haben können). In diesen Tagen wurde der Kauf von zwei
Transformatoren sichergestellt, einen um jenen zu ersetzen, der verbrannt wurde und einen anderen um
einen in Reserve zu haben. Wegen des schwierigen Geländes und wegen der dringenden Benötigung,
wird einer der Transformatoren mit Hilfe von drei Helikoptern transportiert, die mit synchroner
Geschwindigkeit fliegen und ihn mit Stahlseilen in der Luft halten werden. Während der andere gemäss
der früheren Tradition transportiert werden wird. Es haben sich die Chauffeure von Schwertransporten
versammelt, welche nach der Inspektion des Strassenzustandes zur Übernahme der Aufgabe bereit
sind.

Aber unterdessen gehen die Sabotageakte im anderen Teil des Energienetzes weiter. Anfangs wurde
einer der heikelsten Starkstrommasten, jener der die südlichen Regionen mit Energie versorgt, in die Luft
gesprengt. Danach wurde auch der erste unmittelbare Starkstrommast beim Wasserkraftwerkes von
Vaut i Dejës gesprengt. In der vergangenen Woche wurden gleichzeitig zwei solche Masten unterminiert,
einer in Fier, gleichzeitig zwei Linien gefährdend, jene für Vlora und die andere für Tepelana; wie auch
einen Mitten in Tirana, in der Nähe des polygraphischen Kombinates. Dies hat bewirkt, dass die
Hauptstadt sich in einen grossen Konsumenten von Kerzen verwandelt hat.

Wirtschaftliche Sabotage ereignet sich fortlaufend auch in anderen Netzen. Ein unerwartetes Feuer
eroberte Mitte letzter Woche die einzig autorisierte Fabrik zur Produktion von Coca - Cola, einen grossen
Verlust und die zeitweise Unterbrechung der Produktion verursachend. Das Feuer wütete trotz des
Hilferufes an die Feuerwehren von Rinas, Tirana, Durrës und Kavaja fast 12 Stunden. Sofort ist der
Verkaufspreis des erfrischenden Getränkes, das die Welt erobert hat, spürbar gestiegen.

Aus "Zëri i Kosovës" vom 17.12.1998 übersetzt von Aufbau Albanien


Politische Wochenchronik

                      Ende November - Anfangs Dezember 1998

         "Die Dekabristen" lassen die Gespenster des Dezembers wieder aufleben.

Martin Nika

   1.Hajdari könnte die Immunität wieder zurückgegeben werden.

     Der Ministerpräsident Pandeli Majko schlug dem albanischen Parlament einen Tag
     nach der Bekanntgabe des offiziellen Resultates des Referendums vor, dem
     Abgeordneten Azem Hajdari die Immunität (nach dem Tod) zurückzugeben. Dieser
     juristische Vorschlag könnte zur Vertiefung der Untersuchungen ermuntern, aber der
     Vorsitzende des Parlamentes Skënder Gjinushi hat sich dahingehend geäussert, dass
     das Verfahren die Wiedererlangung der Immunität ohne einen gewichtigen Grund
     nicht erlaube. Laut Gjinushi muss der Akt der Aberkennung der Immunität, die mit
     den Handlungen des ehemaligen Abgeordneten Hajdari zutun hatte, vom Akt des
     Attentates, das mit den Autoren des Verbrechens zutun hat, getrennt gesehen
     werden.

     Die Oberhäupter der Demokratischen Partei haben sich für die Unterstützung des
     Vorschlages von Majko ausgesprochen. Aber sie haben die Initiative des
     Ministerpräsidenten als "Aufforderung zum Vergeben nach dem Tod" für den
     getöteten ehemaligen Abgeordneten aufgefasst.

     In der Mitte der Woche wurde in der Geburtsklinik von Tirana der "kleine Azem
     Hajdari", wie es der demokratische Führer Sali Berisha sagte, geboren. Die Gattin
     des Verstorbenen war mit dem Beschluss der Partei, dass der Sohn "Azem" heisst,
     einverstanden. Berisha zeigte sich lächelnd und lauthals wiederholend: "Azem lebt!
     Azem lebt!" vor den Kameras.

     Unterdessen ist ein norwegischer Staatsanwalt in Tirana angekommen um die
     Untersuchungen rund um den Mord an Azem Hajdari voranzutreiben. Dies war eine
     Forderung der Vertreter der Opposition des Landes, welche glaubt, dass die
     Justizmacht in Albanien in den Händen der Regierung ist. Die Forderung der
     Rechten für eine internationale Überwachung der Untersuchungen wurde von den
     Untersuchungsbehörden akzeptiert, aber dennoch haben sich ihre Oberhäupter
     pessimistisch zu seiner Rolle geäussert. Wir kennen das Beglaubigungsschreiben
     dieses Staatsanwaltes nicht und wir unterstützen seine Mission nicht, sagte einer der
     ehemaligen Minister der Regierung Meksis. Aber wie es scheint sind die Bedenken
     der demokratischen Partei bei der Erklärung ihrer Haltung gegenüber dem
     nordischen Staatsanwalt mit der Tatsache verbunden, dass er auch die dramatischen
     Ereignisse des vergangenen Jahres untersuchen wird.

   2.Am einen Tag die Demokraten, am anderen die Kommunisten.

     Es scheint, dass die Demokraten und die Kommunisten sich gegenwärtig gegenseitig
     auf dem "Skanderbeg - Platz" abwechseln. Die Verkündigung des Sieges der
     Verfassung bewirkte, dass die Anhänger S. Berishas für einen verzweifelten Protest
     in das Zentrum Tiranas gingen. "Nieder mit der Verfassung!", "Die Verfassung ist
     antialbanisch!", "Die Verfassung ist kommunistisch!", waren die Hauptparolen der
     Manifestanten. Berisha versprach den Teilnehmern des Protestes, dass die
     Demokratische Partei das Land sehr schnell zu vorzeitigen Wahlen führen werde. Er
     fügte hinzu "wir haben eine andere Verfassung bereit" und dass "unser
     Wahlprogramm wird ausgerechnet die neue Verfassungsentwurf sein".

     Nur einen Tag nach dieser Manifestation versammelten sich auf dem "Skanderbeg -
     Platz" die Sympathisanten eines anderen politischen Flügels. Die kommunistische
     Partei hatte zum Protest aufgerufen. Einer ihrer Führer klagte die Opposition und die
     Regierung an, das Fest der Befreiung "respektlos zu behandeln". Er sagte, dass der
     "29. November unser Fest ist", darum "muss ihm die verdiente Bedeutung"
     gegeben werden. Der Sprecher beharrte darauf, dass allein die Kommunisten
     konsequente Antifaschisten geblieben sind, während die anderen "vor dem 29.
     November Angst haben".

     Eine Reportage, die im Fernsehen übertragen wurde, schilderte ausführlich den
     katastrophalen Zustand der Märtyrerfriedhöfe, einschliesslich der Denkmäler, der
     Gedenk - und Erinnerungstafeln. Bis zum Ende der '80 Jahre wurden die
     Märtyrerfriedhöfe in Tirana und der Umgebung nicht nur gut gepflegt, sondern
     ununterbrochen mit Blumen bedeckt. Seit Anfangs der '90 Jahre und danach, als die
     Volksfriedhöfe schöner wurden und sich in kleine Denkmäler verwandelten, wurden
     jene der Märtyrer wegen Vernachlässigung, auf Grund der Witterung und manchmal
     auch auf Grund der Gewaltanwendung und des Hasses von antikommunistischen
     Gruppierungen, zerstört.

   3.In Tirana Treffen der Theater des Balkans

     Während einer Woche fand in Tirana das Balkantreffen der universitären
     Theatertruppen statt. Es wurde die Teilnahme aller Länder des Balkans,
     einschliesslich des Studententheaters von Belgrad bestätigt. Doch die Situation hat
     sich sofort geändert, nachdem man vernommen hatte, dass die Akademie der
     Schönen Künste Tiranas auch die Truppe der Studenten der Universität von
     Prishtina und jene der Universität von Tetova eingeladen hatte. Zu erst hat die
     Truppe von Shkup die Teilnahme abgesagt, behauptend, dass "das Treffen aus
     politischer Absicht statt finde". Auch das Theater aus Belgrad hat die Teilnahme aus
     dem gleichen Grund, "entweder wir oder sie", ausgeschlossen. Eine Truppe aus
     Novi Sad konnte nicht am Treffen teilnehmen, aber die Antwort ihres Sprechers war
     korrekt. (Arbeitsgründe, vorheriges Engagement usw.) Es nahmen ausser drei
     albanischen Studententruppen aus Tirana, Prishtina und Shkup auch zwei
     bulgarische, eine griechische und eine rumänische Truppe teil. Es gab keinerlei
     Antwort wegen der Nichtteilnahme aus Podgorica und Sarajewo. Die Theatertruppe
     aus Prishtina wurde vom Schauspieler E. Petrovci geleitet.

   4.Zwei neue Bücher, die im Gefängnis geschrieben wurden.

     "Mein Leben mit Enver" ist der Titel des ersten Bandes mit Erinnerungen von
     Nexhmije Hoxha. Das Buch wurde in den Tagen der Festlichkeiten zum
     antifaschistischen Sieg in Umlauf gebracht. Die Autorin hat es während der Zeit, als
     sie im Gefängnis von Tirana weilte, geschrieben. Im ersten Band werden die
     Ereignisse von Anfangs des Krieges bis in die Mitte der '60 Jahre beschrieben, aber
     für spezielle Fragen gibt es auch Abhandlungen über spätere Ereignisse. Die
     Bekanntschaft von E. Hoxha in den Tagen der ersten von den Kommunisten
     organisierten Demonstration, die Liebesgeschichte und die Heirat mit dem
     ehemaligen Staatsoberhaupt, das Leben in einem Haus mit K. Xoxe bis zur
     Verurteilung der von ihm angeführten projugoslawischen Gruppierung, die
     Erholungsreisen nach Moskau und in andere Ostländer, das geregelte Arbeitsleben
     Envers, seine Freunde und Feinde, das Essen und der Schlaf, sein Verhalten und
     seine Leidenschaften - dies sind einige der wichtigsten Erörterungen des Buches.
     Die Autorin hat an den Anfang des Buches die bekannte Äusserung de Gaulles
     gesetzt: "Niemand anderem als Enver Hoxha steht der Ausspruch zu: Ehre gebührt
     dem, der sie nicht danach verlangt".

     In diesem Band sind auch die Erinnerungen von Nexhmije Hoxha zur Haltung von E.
     Hoxha zu der Kosovafrage seit dem Krieg bis er starb, d.h. bis zu seinem
     Vermächtnis, enthalten. Ein Grossteil dieser Erinnerungen waren einige Jahre
     vorher in der Zeitung "Zëri i Kosovës" zum ersten Mal veröffentlicht worden. Wieso
     Enver gegen zwei albanische Republiken war und wieso er später, als die Jugend in
     Prishtina mit der Parole "Kosova Republik" den Aufstand machte, jenen
     vorbehaltlos unterstützte - dies ist eine der interessantesten Fragen des Buches.

     N. Hoxha findet in diesem Buch die Gelegenheit Antwort zu geben ohne Anklagen,
     die an sie und besonders gegen E. Hoxha gerichtet waren, wie S. Godo, welcher
     "verlangt hatte die Biographie Envers zu schreiben"; oder der "Historiker aus
     Kosova Z. C.", der Gast in der Familie Hoxha gewesen war und sich einstmals mit
     zügelloser Sympathie ihnen gegenüber geäussert hatte, "unabhängig, dass er jetzt
     die Haltung von Grund auf geändert hat" usw. Ebenso wird über die Beziehungen E.
     Hoxhas zu I. Kadare, über die Umstände des Selbstmordes von M. Shehu
     gesprochen. Der zweite Band der Erinnerungen sollte im kommenden Jahr
     veröffentlicht werden.

     "Mein Leben in der Zelle" ist der Titel des neuen Buches mit Erinnerungen des
     ehemaligen Präsidenten Albaniens R. Alia. In diesem Buch werden die Umstände der
     zwei Gefängnisaufenthalte des Autors nach dem Rücktritt und den
     Lebensbedingungen im Gefängnis beschrieben. Es sind auch die vollständigen
     Verteidigungstexte der verschiedenen Stufen der damaligen Gerichte bis zum Urteil
     und der Erklärung "unschuldig" vor einem Jahr enthalten. Zum grössten Teil ist das
     Buch in der Form eines Tagebuches geschrieben. Einer der erstaunlichen Werte des
     Buches ist die Feststellung, dass der Autor, obwohl er in äusserster Isolation lebte,
     als die Justiz nur einen einzigen Besuch mit den Kindern innert zwei Wochen
     erlaubte, glänzend über die Entwicklungen innerhalb des Landes und im ganzen
     albanischen Raum informiert war.

     Mit der Vorsicht eines Politikers mit langer Erfahrung äussert R. Alia in diesem
     Werk seine Meinung zur albanischen Frage in Kosova, indem er sich nicht scheut die
     damaligen Ansicht und jene der heutigen Regierenden zu diskutieren.

     In diesem Buch wird die Absurdität eines sogenannten demokratischen Staates
     aufgezeigt, der das ehemalige Staatsoberhaupt wegen "Überschreitung der
     Ausgaben für die Gäste" anklagt. Der Autor des Buches hat bis heute keine seiner
     Rechte wiedergewonnen, einschliesslich einer Wohnung oder der Pension. In Kürze
     wird das Buch auch auf Griechisch erscheinen. Ein Teil seines Inhaltes wurde von
     Fall zu Fall in der Zeitung "Zëri i Kosovës" veröffentlicht.

   5.Wird es neue "Dekabristen" geben?

     Seit einigen Tagen werden angestrengte und krampfhafte Versuche unternommen
     um eine angespannte Situation, gemäss dem Modell der Ereignisse des Dezembers
     des Jahres 1990, zu schaffen. So wie acht Jahre vorher, wurde der Funke in Shkodra
     entflammt. Eine Studentengruppe der Universität "Luigj Gurakuqi" treten in einen
     Streik und übergeben der Regierung eine Liste von Forderungen, eine von ihnen will
     die "Überführung der Mörder von A. Hajdari". Der Erziehungs - und
     Wissenschaftsminister Ruka war einverstanden mit einem Vertreter der Studenten
     über alle wirtschaftlichen Forderungen, ausser über die letzte Forderung, welche
     "einen politischen Charakter hat", zu reden. Nach einer Reihe von Treffen und
     Beratungen, einschliesslich eines Empfangs der Studenten in den Büros des
     Präsidenten Meidani, wurde eine Übereinkunft erreicht, die ihre Rückkehr in den
     Vorlesungssaal garantiert. Aber eine Gruppe von Menschen, die sich offiziell nicht
     zuerkennen geben, erlaubten es den Studenten aus Shkodra nicht in die Universität
     einzutreten. Sie wendeten sogar physische Gewalt gegen sie an. Das Streiksyndrom
     ist in der Zwischenzeit in der Hauptstadt eingetroffen. Gruppen von Studenten haben
     sich von der Universität entfernt, obwohl sie bisher niemandem Forderungen gestellt
     haben.

     "Die Dekabristen", wie die "Dezemberaufständischen" in der Presse der
     Hauptstadt mit einem humoristischen Unterton genannt werden, haben die "Hajdari -
     Tafel" gegründet, den Verein der ehemaligen Studenten des Dezembers und einige
     andere Gruppierungen. Das Ziel ist, dass der 8. Dezember, gesetzlich bekannt als
     der "Nationaltag der Jugend" im ganzen Land mit einer explosiven Situation
     begangen wird. Doch aus den Erfahrungen des Landes und der weltweiten
     Erfahrungen ist es gut bekannt, dass wenn die gleichen politischen Mittel wiederholt
     angewendet werden, kann das Resultat nur ein Misserfolg sein.

     Der ehemalige Präsident Berisha hat zum Jahrestag des 8. Dezembers die
     Auszeichnung "Symbol der Demokratie" verteilt. Aber die Mehrheit der Träger
     dieser Auszeichnung, unter welchen auch der gegenwärtige Ministerpräsident
     Pandeli Majko ist, werden gegenwärtig zu "Feinden" erklärt. Berisha hat in diesen
     Tagen gesagt, dass er es bereut, dass er diese Auszeichnung Majko gegeben hatte,
     weil "er schon damals für die Sozialisten gearbeitet habe".

   6.Es wird keinen vorzeitigen Kongress geben

Die Sozialisten haben beschlossen keinen vorzeitigen Kongress abzuhalten um die
Situation in der Partei zu klären. Dies wurde während eines Gespräches des
Ministerpräsidenten mit Journalisten bekanntgegeben. Er sagte, dass es keinen
dringenden Grund für die Abhaltung eines ausserordentlichen Kongresses gebe. Die
Sozialisten sehen ihre Stellung als verbessert an nach Veröffentlichung der endgültigen
Resultate des Referendums. Was jetzt diskutiert wird ist allein die Funktion von Nano. Es
hat innerhalb und ausserhalb der Partei Meinungen gegeben, dass Nano auch die Aufgabe
des Parteivorsitzenden aufgeben solle, nicht so sehr weil er die unmittelbare
Verantwortung für die Situation im Land hat, sondern um die Entfernung Berishas von der
politischen Bühne zu erleichtern. Ein anderer Grund ist der Gesundheitszustand von Nano,
der nach der Gallenoperation als instabil angesehen wird. Dennoch haben sich die
Sozialisten aber vorläufig gegen eine Beschleunigung der Prozedur ausgesprochen. Die
Analyse der Situation nach dem Referendum wird auf der lokalen Ebene und in den
Leitungskomitees der Partei beginnen.

Nach dem Referendum sind die Sozialisten und ihre Verbündeten ins Parlament
zurückgekehrt. Die Wiederaufnahme der Arbeiten des Parlamentes hat die Funktionsweise
der "Vereinigung für Demokratie" beeinflusst. T. Laço, einer der Führer der
sozialdemokratischen Parteien, erstrangiger Verbündeter von Berisha, hat sich von ihm
getrennt um ins Parlament zurückzukehren, "wo die Opposition die eigene Meinung für die
Veränderung der Verfassung darlegen kann". - Während Berisha, auch nach der Drohung
"ich bin nicht auf eurer Seite" der europäischen Rechtsparteien, darauf beharrt, dass das
Parlament ungesetzlich, dass die Regierung illegal und die Verfassung rechtswidrig sei. Es
ist erwähnenswert, dass Berisha in der vergangenen Woche einen Tag keine
Pressekonferenz gab und dies wurde in den Zeitungen als "ein bedeutendes Ereignis in der
Geschichte des Landes seit der Erklärung der Redefreiheit" bezeichnet.

Aus "Zëri i Kosovës" 10. Dezember 1998

Übersetzt von Aufbau Albanien




Wochenchronik der Hauptstadt.

Martin Nika

1. Die internationale Konferenz Tiranas ist beendet - Fortbildungskurse für die albanischen
Politiker.

Die albanische Hauptstadt stand während fast einer Woche im Zentrum der internationalen
Aufmerksamkeit. Das Hotel "Tirana International" war der Gastgeber von Delegationen
auf hohem Niveau von Institutionen der Europäischen Gemeinschaft und von den einzelnen
Staaten, die sie ausmachen. Die Versammlung der grossen Geberländer wurde unter der
Aufsicht der Drei und mit der Aufmerksamkeit der politischen Gesellschaft "Freunde
Albaniens" organisiert. Die Konferenz wurde vom an der Reihe gewesenen Vorsitzenden
der OSZE Geremek, dem Vorsitzenden des Europarates Schüssel und hohen Vertretern
der Weltbank und des IWF verfolgt.

Die amerikanische politische Administration wurde vom Untersekretär des
Aussenministeriums Malloja vertreten. Es waren der italienische Aussenminister
Lamberto Dini und der Staatsminister für europäische Fragen in Griechenland Jorgos
Papandreu anwesend. Wenige Stunden vor dem Beginn der Arbeit bestätigte auch die
europäische Delegierte für Menschenrechte, Emma Bonino, ihre Kommen.

Die Konferenz fand unter ausserordentlichen Sicherheitsvorkehrungen statt; die
Polizeikräfte blockierten während zwei Tagen ununterbrochen den "Skanderbeg - Platz",
indem sie auch die Bewegungen der Passanten verboten. Man fühlte in dieser ganzen
Mobilisierung die Beunruhigung vor Attentaten oder dem Terrorismus. Die Opposition
hatte sich entschlossen die europäischen Minister und die anderen Delegierten der
Konferenz mit einem regierungsfeindlichen Protestmeeting zu empfanden, dass auf dem
"Skanderbeg - Platz hätte statt finden sollen.

Anders als an anderen Geberkonferenzen gab es in diesem Fall keine wirtschaftliche
Hilfserklärungen, sondern nur Bestätigungen für die Unterstützung der Programme zum
Wiederaufbau des Landes. Die Resolution der Konferenz enthält hauptsächlich
Entschlüsse mit politischem Charakter, unter welchen folgende unterschieden werden
können:

     Wir unterstützen die neue Regierung Albaniens und sehen jene als einen Partner zur
     Zusammenarbeit an, um das Land aus der Krise zu ziehen;

     Albanien soll entschlossen Richtung eines Grundgesetzes gehen - die euro -
     amerikanischen Kräfte werden jene Individuen oder politischen Kräfte, die den
     Verfassungsprozess behindern, isolieren: Der Boykott war in Albanien zwei Mal ein
     Misserfolg;

     Wir sehen die Haltung der Regierung Majko zur Nichtintervention bei der
     politischen Lösung, die von der internationalen Gemeinschaft für Kosova
     vorgesehen ist, als positiv an.

Zwei überhaupt nicht erwartete Beschlüsse waren:

     Keiner der Konferenzdelegierten soll sich mit Berisha treffen;

     Die euro - amerikanischen politischen Institutionen sollten an die Weiterbildung der
     albanischen Politiker, einschliesslich der Regierenden, mittels westlicher Schulungen
     oder Kurse, denken. Diesen Vorschlag hat auch der Präsident Meidani unterstützt.

Die europäischen Institutionen waren empört über die Unterbrechung des Dialoges
zwischen der Staatsmacht und der Opposition nach dem Fernbleiben der Demokraten vom
Parlament. Dies war der Beschluss der Partei und jetzt ist es zu spät es in Ordnung zu
bringen, sagte Berisha. Geremek sagte, dass die Kommunikation der Opposition mit der
Staatsmacht in Albanien ein Dialog zwischen Tauben ist.

2. Die zweigeteilte Rechte für die Verfassung - Boykott des Referendums - Wir werden
einen neuen Entwurf machen.

Drei Haltungen innerhalb von zehn Tagen seitens der demokratischen Partei zum
Verfassungsprozess:

     Boykott der Teilnahme bei der Abstimmung; Wir sind die Mehrheit, die Verfassung
     kann nicht von weniger als der Hälfte angenommen werden;

     Wir sagen den Wählern weder, dass sie teilnehmen oder nicht teilnehmen sollen,
     aber die Stimmen dagegen und die nicht abgegebenen Stimmen sind von der
     demokratischen Partei;

     Wir werden unsere Kritik veröffentlichen; jene, die uns unterstützen, sollen am
     Referendum teilnehmen und gegen die Verfassung stimmen;

     Wir werden überhaupt nicht am Referendum teilnehmen, weil es bei der Propaganda
     für und gegen die Verfassung keine Gleichberechtigung gibt.

Mitte der vergangenen Woche beschloss der nationale Rat der Demokratischen Partei mit
der Mehrheit der Stimmen, dass ihre Basis den Verfassungsprozess und die Teilnahme an
Kommissionen auf allen Niveaus boykottieren werde. Dies war für Berisha ein schwerer
Sieg, welcher von Minarolli, Gjana, Pollo und Bodo Unterstützung erhielt. Ein Teil der
demokratischen Chefs, wie Ylli Vejsiu, Albert Brojka, Ferdinand Xhaferri und Arbina
Karamitro, glänzten durch Abwesenheit. Der ehemalige Chef der Partei Tritan Shehu und
der ehemalige Ministerpräsident Meksi haben öffentlich erklärt, dass die Rechte an der
Abstimmung teilnehmen solle.

Die Rede Berishas an der Versammlung des Forums für Demokratie kann mit diesen
Schlussfolgerungen zusammengefasst werden:

     diese Verfassung ist der Pass für das Verbrechen;

     es braucht zuvor Neuwahlen und nachher ein Referendum;

     wir werden die Wahlen gewinnen und werden das Gesetz des Referendums ändern;

     wir boykottieren dieses Projekt und garantieren den Wählern, dass der erste Punkt
     unseres Wahlprogrammes die Annahme der Verfassung innerhalb des nächsten
     Jahres sein wird.

Sehr scharf ist die Reaktion der europäischen Institutionen gegenüber dieser Haltung
gewesen. Dies wurde auch in der Resolution der Versammlung in Tirana ausgedrückt, in
welcher die Verhinderung des Entwurfes verurteilt wird. Berisha hat die internationalen
Institutionen aufgerufen sich nicht in die inneren Angelegenheiten Albaniens einzumischen.
Geremek sagte, dass Berisha die Botschaft der Versammlung in Tirana verstehen müsse.

Einen Tag später hat Berisha die Haltung geändert. Er erklärte, dass die Demokratische
Partei sich diesem Prozess gegenüber gleichgültig verhalten werde und ihren
Sympathisanten weder sagen werde am Referendum teilzunehmen noch nicht
teilzunehmen. Er klagt die europäischen Institutionen einer einseitigen Haltung in diesem
Konflikt in Albanien an, insofern sie das Parlament als eine legitime Organisation ansehen.
Aber andere demokratische Führer haben zugegeben, dass wir gezwungen sein werden die
Gültigkeit der Verfassung anzuerkennen, wenn sie von der überzeugenden Mehrheit
gewonnen wird. Die einzige Sache, die sich nach der Kritik der europäischen Minister
wirklich verändert hat, ist die Haltung der Rechten gegenüber dem Verfassungsprozess,
die Annahme als Vertreter in den Wahlkommissionen. Die Verfassung hat die Rechte, die
von Berisha geführt wird, endgültig in zwei Flügel gespalten.

Eine juristische Verfassungskommission bestätigte, zum Abschluss einer langen Debatte
über die Gültigkeit des Referendums, wenn die Teilnahme begrenzt sein werde, dass die
nicht eingeworfenen Stimmen gesetzlich zum Vorteil der Mehrheit gerechnet werden. Nach
dieser Interpretation änderte Berisha die Haltung: Zum ersten Mal begann die
Demokratische Partei ihre Kritik publik zu machen und wendete sich mit dem Aufruf an die
Wähler an der Abstimmung teilzunehmen und Nein zu stimmen, als einzige Art, der Stimme
einen politischen Wert zu geben.

3. Arbnori: " Wir haben Euch geholfen Nano vom Hals zu schaffen" - Dokle:" In solchen
Fällen wollt Ihr wohl entschädigt werden".

Zum ersten Mal seit langer Zeit befanden sich die Chefs der albanischen Politik, die der
Opposition und die der Regierung, zusammen am gleichen Tisch mit einem Glas zum
anstossen vor sich. Dies ereignete sich am Tag des 75. Jahrestages der Gründung der
türkischen Republik oder wie man sagt der modernen Türkei. In diesem Fall hat der
türkische Botschafter in Tirana zu einem Cocktail eingeladen, an dem die höchsten
Vertreter der albanischen Politik, einschliesslich Nano und Berisha, teilnahmen. Zum
Abschluss des von der Botschaft organisierten Cocktails wurden fröhliche Spiele
organisiert, es wurden albanische und türkische Lieder gesungen und eine Lotterie
gemacht, welche von Servet Pëllumbi, einem der Fraktionisten der Sozialisten, gewonnen
wurde. Die Kamera zeigte aufmerksam die äusserst warme Umarmung des türkischen
Botschafters in Tirana mit dem Chef der Menschenrechtspartei Vasil Melo, der Partei, die
die Interessen der griechischen Minderheit in Albanien vertritt. Der demokratische
Abgeordnete Arbnori sagte in diesem fröhlichen Klima dem stellvertretenden
Parlamentspräsidenten Dokle, dass wir euch geholfen haben Nano vom Hals zu schaffen.
Dokle antwortete ihm humorvoll, "in solchen Fällen wollt ihr wohl entschädigt werden" -
um Berisha vom Hals zu haben, eine Sache, die das Gespräch wieder ernsthaft werden
liess.

4. Die Psychiater sind aus Angst geflohen - Berisha leidet unter einer Nervenkrankheit.

Ein Interview des sozialistischen Abgeordneten Spartak Braho, gegeben der Zeitung
"Shekulli", hat bewirkt, dass eine Mehrheit der Albaner glaubt, dass die Rede von den
Neurosen Berishas nicht nur leere Worte sind. Laut Braho handelt es sich bei Berisha um
einen "geborenen Psychopathen", aber seine endgültige Diagnose stand erst im Jahr 1990
fest. Der sozialistische Abgeordnete erinnert daran, dass die Nervenkrankheit Berishas,
die von der unregelmässigen Versorgung des Hirns mit Blut herrührt, zum ersten Mal von
Dr. Bajram Preza, einem der bekanntesten Ärzte Albaniens, festgestellt wurde.

Laut Brahos wurde Berisha in der Klinik "Lainz" in Wien der Kontrolle wegen nervlicher
Erkrankung unterzogen, bei welcher der Arzt Kurt Jellinger zum gleichen Schluss wie Dr.
B. Preza kam. Braho beharrt darauf, dass die medizinische Personalkarte, wie auch der
Rapport, die die Krankheit des ehemaligen Präsidenten bestätigen, nicht nur im
Gesundheitsministerium sondern auch im Aussenministerium vorhanden waren und sind.
Er sagte, wenn es nötig sei, würden die Journalisten auch eine Kopie der Karte in der
Klinik von Dr. Jellinger finden.

Auf die Frage, ob die Psychiater in Albanien über die Karte auf dem Laufenden sind
antwortete Braho, dass sie es wissen, aber dass sie ebenso wissen, dass Berisha
erbarmungslos ist, darum getrauen sie es nicht zu sagen. Damit erklärt Braho auch die
Tatsache, dass ein Teil der Neurologieärzte nach dem Jahr 1992 gezwungen waren zu
fliehen.

5. Feuer im Haus des Präsidentenberaters Dr. S. Brokaj - Nano und Berisha sind meine
Widersacher.

Eine Stunde bevor sich der Sonntag vor einer Woche anbrach stand das Haus des
militärischen Präsidentenberaters und ehemaligen Verteidigungsministers Sabit Brokaj in
Flammen. Um das Haus in Brand zu stecken haben die Brandstifter eine grosse Menge
Benzol verwendet, welches sozusagen alles, mit Ausnahme der Menschen, welche gerettet
werden konnten, zu Asche machte. Ich schulde niemandem etwas, ich habe niemandem
etwas Schlechtes angetan, sagte Brokaj. Dies sei ein mafiöses und politisches Verbrechen.

Brokaj präzisiert, dass ich einen politischen Konflikt mit Fatos Nano hatte, obwohl wir in
der gleichen Partei sind, aber dieser Konflikt brach wegen Grundsatzfragen aus. Dennoch
sind Nano und Berisha meine einzigen Widersacher, erklärte Brokaj, schlussfolgernd, dass
die Absicht des Brandes des Hauses die Botschaft sein könne, dass versucht wird mir die
politische Mafia zu schicken, sei es die linke oder die Rechte, oder beide zusammen, da die
politische Mafia viel schneller als ihre öffentlichen Oberhäupter eine gemeinsame Sprache
finden. Zum ersten Mal nahmen die Konflikte der sozialistischen Chefs den Charakter
einer offenen Gegnerschaft an.

Der 6. Abschnitt handelt vom 40. Jahrestag des literarischen Schaffens von Dritëro Agolli,
der schon in der vorhergehenden Nummer von Zëri i Kosovës von Shaban Sinai behandelt
wurde und dort nach zu lesen ist.

Zëri i Kosovës, 12. 11. 1998
 





 
Albanien in Flammen.
 
Hajdari wird getötet -

Kosova tritt in den Hintergrund.

Die formaljuristischen Bedingungen unter denen Azem Hajdari getötet wurde:

1..Rexhep Meidani, der Republikspräsident, befand sich zu einem Besuch in Athen.
2.Fatos Nano, der Ministerpräsident, befand sich an einer Messe in Lissabon.
3.Skënder Gjinunshi, der Parlamentspräsident, war für einen Besuch in Moskau und war soeben
nach Hause, aber noch nicht an die Arbeit, zurück gekehrt.

Aus juristischer Sicht sind das saubere Bedingungen für verfassungswidrige Handlungen
bis zu einem Staatsstreich. Unter solchen Bedingungen konnte keine Figur der
Staatsmacht die Kompetenzen der Nummer 1, 2 oder 3, die nicht auf eine niedere Stufe
der Hierarchie delegierbar sind, ausüben. Auch Staaten mit einer gefestigten Demokratie,
unabhängig von ihren Verpflichtungen bei äusseren Aktivitäten, bilden nicht solche
Vakuums, so dass die Staatsmacht auf gesetzlichem Weg nicht mehr lenkbar ist. Das
gleichzeitige Fehlen von Nano, Meidani und faktisch von Gjinushi bildete die
Auflösungsbedingungen der Staatsmacht.
 
Ein Blick eine Woche zurück.

Die Parole zum Töten wurde zum ersten Mal bei den Meetings der demokratischen Partei
während der letzten zwei Wochen lanciert. Beim Meeting dieser Woche trugen die
Manifestanten auch einen Sarg aus Papier auf den Platz hinaus. Darauf stand
geschrieben: "Nano - Regierung".
 
Einen Tag nach dem Meeting verkündete das Oberhaupt der demokratischen Partei Sali

Berisha öffentliche, dass er bereit sein würde Albanien in einen Bürgerkrieg zu führen.
Der vollständige Text seiner Erklärung war:

" Wir haben vieles toleriert. Wir haben die Verletzung der Verfassung beim Referendum
über die Regierungsreform und im Fall der Ausserkraftsetzung des Verfassungsgerichtes
toleriert. Jetzt ist es uns nicht mehr möglich tolerant zu sein. Wir werden für die Rückkehr
der Verfassungsmässigkeit des Landes kämpfen. Der Bürgerkrieg ist die Rechnung der
Freiheit. Wir sind bereit diese Rechnung zu bezahlen".
 
Azem Hajdari wird getötet.
 
Der ehemalige demokratische Abgeordnete Azem Hajdari wurde am Samstag um etwa 21
Uhr nahe des Zentralsitzes der demokratischen Partei getötet. Gemäss der Version dieser
Partei wurde Hajdari eine Viertelstunde vor dem Attentat von einer unbekannten Person
am Telefon verlangt. Danach verliess er das Büro und begab sich stadtauswärts.
Unverhofft befand sich Hajdari in einem Hinterhalt. Aus einem Auto mit Kontrollschildern
Vloras schoss der Chef des Polizeikommissariates von Tropaja Jaho Salihi in seine
Richtung. Sein Auto wurde auch von einigen anderen Autos mit Polizeischildern begleitet.
 

Sali Berisha und die Verwandten des Verstorbenen haben jede Möglichkeit einer
überlieferten Verwicklung oder Blutrache der Familie Hajdari mit Individuen oder Sippen
ausgeschlossen. Anlässlich der ersten Pressekonferenz, die der demokratische Führer
eine Stunde nach dem Mord des Abgeordneten Hajdari gab, sagte er, dass "er eine
Legende war" und dass "wir heute alle getötet wurden". Laut Berisha ist der Autor des
Verbrechens bekannt, es ist der "Oberkriminelle Nano". Das Motiv des Verbrechens ist
laut Berisha:" Hajdari war das Symbol der Demokratie in Albanien und des
Nationalismus, der für Kosova nötig ist". Bei der gleichen Pressekonferenz sprach
Berisha das Ultimatum aus, dass Nano innerhalb von 24 Stunden zurücktreten müsse. Er
sagte, dass "wir Azem nicht morgen beerdigen werden", weil "ganz Albanien aufrufen
werden nach Tirana zu kommen ihm zu huldigen".
 

Laut Innenminister Perikli Teta ist es nicht ausgeschlossen, dass der Mord so geschah
wie er in der Version der demokratischen Partei dargestellt wird. Aber wir haben auch
andere Angaben, sagte Teta, die wir jetzt untersuchen. Unterdessen ist der Chef des
Kommissariates von Tropoja Jaho Salihi am Morgen des Tages danach an seiner Arbeit
erschienen. Das Innenministerium hat für Informationen über die Autorenschaft des
Verbrechens eine Belohnung von 100'000 $ ausgesetzt.

Zusammen mit Azem Hajdari wurde auch einer seiner Leibwache getötet während ein
anderer Offizier verwundet wurde.
 
Die rechten Parteien schauen dieses Ereignis allgemein als ein politisches Verbrechen an.
Sie haben in diesem Fall daran erinnert, dass gegen Hajdari einige Attentate gemacht
wurden, darunter auch ein Attentat im Parlament.

Berisha verkündet nationale Trauer - Hajdari wird mit der Hochzeitshymne empfangen.

Obwohl in der Verfassung Albaniens das Recht zu Ausrufung der nationalen Trauer allein
dem Präsidenten zusteht, entschied der nationale Rat der demokratischen Partei drei
Tage nationale Trauer für den Mord an Azem Hajdari zu verkünden. In der offiziellen
Bekanntmachung wird gesagt, dass die Nationalflagge bei allen Institutionen, wo die
Staatsmacht in den Händen der demokratischen Partei ist, auf Halbmast aufgezogen
werde. Während die Fahne der Partei Berisha in allen Lokalsitzen und in allen unter
seinem Einfluss stehenden Regionen auf Halbmast sein wird. Trotzdem die Trauer von
Berisha verkündet wurde, wurde sie faktisch von allen privaten Radios und
Fernsehstationen, sogar auch von staatlichen Fernsehen, respektiert.
 

Während drei Tagen hintereinander übertrug das albanische Radio - und Fernsehnetz nur
Trauermusik. Paradoxerweise wurde im Moment der Ankunft des Sarges von Hajdari auf
dem Podium vor dem Kulturpalast, wo man sich entschieden hatte die Huldigungen der
letzten Begleitung zu machen, an stelle der Trauermusik die gut bekannte
Hochzeitshymne gespielt. Die Oberhäupter der demokratischen Partei gingen
hintereinander um den Sarg herum, indem sie seine Stirne küssten.
 

"Wir hängen ihn, wir hängen ihn mit dem Strick!"

Die Huldigungen des Montags auf dem "Skanderbeg" - Platz begannen ruhig. Aber sehr
schnell verschärfte sich die Situation. Die Teilnehmer an der Zeremonie, die auf rund
6'000 Leute geschätzt wurden, vorwiegend aus dem Norden, begannen nach der
Abschiedsrede und Berishas Aufforderung, dass die Regierung bis 12 Uhr zurücktreten
solle, aggressive und kriegshetzerische Parolen zu schreien:
 
"Tod - Tode dem Kommunismus!"
 "Wir hängen ihn, wir hängen ihn, wir hängen ihn mit dem Strick!"
 " He, Fatos du Gauner, verschwinde aus dem Loch in das du hinein gingst!"
"Oh Azem, du Held, ganz Albanien liebt dich!"
"Azem du lebst!"
"Meidani - Leiche!"
"Wir wollen Waffen! Wir wollen Waffen!"
"Rache! Rache!"
"Tod! Tod! Tod!"

Um 11 Uhr sollte der Trauerumzug Richtung Volksfriedhof von Sharrë aufbrechen. Aber
seine Spitze hatte unverhofft die Richtung geändert: Er ist zum Zentralsitz der Regierung
aufgebrochen. Alle Manifestanten haben sich diesem Geschehen angeschlossen. Plötzlich
wurden von den bewaffneten Leuten, die an der Manifestation teilnahmen, Salven
abgefeuert. Auf dem ganzen Weg vom "Skanderbeg" - Platz bis vor den Sitz des
Ministerpräsidenten haben die Salven von verschiedenen Arten von Waffen nicht
aufgehört. Die Stirnfassade des Ministerpräsidentensitzes wurde auf seiner ganzen
sichtbaren Seite mit schweren Waffen, einschliesslich Antipanzerwaffen, beschossen. Den
Manifestanten gelang es ohne jegliche Mühe von sechs Panzer der politischen
Zentralgarde Besitz zu ergreifen. Die Gardistensoldaten wurden ohne Gegenwehr aus den
gepanzerten Fahrzeugen gezerrt. Während der ganzen Prozession wurde keine
Anwesenheit der Polizei und der Ordnungskräfte festgestellt.

Das Gebäude des Ministerpräsidenten, dessen zwei erste Stockwerke schon am Sonntag
gebrandschatzt wurden, wurde am Mittag des Montags vollständig verstört.
Um etwa 13 Uhr brachten die Manifestanten den Sarg von Azem Hajdari ausgerechnet vor
Das Haupttor des Sitzes des Ministerpräsidenten. Der Sarg des ehemaligen
demokratischen Abgeordneten wurde auch auf den Schultern der Schwestern getragen.
Einen Tag zuvor bestätigte die Schwester des Toten vor Journalisten, "ich habe vier
ältere Brüder, jene werden das letzte Wort haben, aber wir werden Azem rächen und
werden Fatos Nano mit dem Strick henken".

Um die Türe des Sitzes des Ministerpräsidenten zu öffnen wurden Granaten, schwere
Antipanzerwaffen, wie auch alle anderen leichteren Waffen verwendet. Der Sitz des
Ministerpräsidenten wurde sozusagen zu Schutt und Asche gemacht. Zwei Minister, Milo
und Malaj, sagten, dass die Regierung keinen Ort mehr habe wo sie sich versammeln
könne um Beschlüsse zu fassen. Sozusagen zur gleichen Zeit wurde auch der
Parlamentssitz besetzt. Bei dieser Institution waren die Schäden begrenzter. Der Sitz des
Ministerpräsidenten wurde auch ausgeraubt.
 

Während der Manifestation gab es Individuen, die vor den Fernsehkameras das Symbol
der Kämpfer der Befreiungsarmee Kosovas, genau jenes Abzeichen, das auf dem
Uniformärmel aufgenäht wird, zeigten. Der italienische Verteidigungsminister Andreata
sagte in einer offiziellen Verlautbarung, dass die Manifestationen in Albanien
"kosovarische Unterstützung geniesse". Der Chef der Militärallianz Solana sagte am
Montag, dass die Entwicklung in Albanien Folgen für die Verschlechterung des Konfliktes
in Kosova, für die Ablenkung der internationalen Aufmerksamkeit gegenüber Kosova wie
auch gegenseitiger Folgen der zwei Bedingungen jener Kosovas für Albanien und
umgekehrt, haben könne.

Die Monarchisten eine Stunde im zentralen Fernsehstudio.

Die Hauptpersonen der Vorhut der Manifestanten, die den Sitz des Ministerpräsidenten
angriffen, waren Pjetër Arbnori, ehemaliger Chef der Leibgarde Berishas (vor den
Fernsehkameras als ein "Rambo" der albanischen Gebiete vorgestellt) wie auch das neue
Oberhaupt der albanischen Monarchisten Eqrem Spahija aus Kukës.

Nachdem es der Menge gelungen war in den Sitz des Ministerpräsidenten einzudringen,
wo alles der Anarchie unterworfen wurde, befahl der "Stab" das staatliche Fernsehen
anzugreifen. Während des Angriffes wurden auch Panzer verwendet. Vor den Haupttüren
des Fernsehens riefen die Manifestanten:" Wir haben sie übernommen, sie übernommen,
die Regierung!" Tatsächlich hatten die privaten Radio - und Fernsehstationen
unterdessen den Rücktritt der Regierung von Nano verkündet.

Während rund einer Stunde war das Zentralstudio des staatlichen Radio und Fernsehens
in den Händen des Oberhauptes der albanischen Monarchisten Eqrem Spahija. Mit einem
lahmen Gegisch, verschmolzen mit der albanischen Schriftsprache sagte Spahija, dass
"dieses Studio ist in unseren Händen" und dass "wir jetzt frei sind unsere Rede zu halten,
die seit 1 1/2 Jahren unterdrückt wird, seitdem das Ende des Referendums für die
Monarchie verkündet wurde". Spahija rief die Bürger auf die Strassen und Plätze nicht zu
verlassen und die Waffen nicht auszuliefern bis aus dem Studio, das von ihm kommandiert
werde, der Rücktritt von Nano bekannt gegeben werde.

Die Herrschaft der Monarchisten über das staatliche Fernsehen war schnell beendet. Den
Platz von Spahija, der sich in den Sessel des Hauptsprechers des albanischen Fernsehens
gesetzt hatte, übernahm der Chefredaktor des Radios der demokratischen Partei
"Kontakt". Das Fernsehen Tiranas, welches bis 12 Uhr in scharfer Form die Zerstörungen
der Teilnehmer der Manifestation kritisiert hatte, begann danach dazu auf zu rufen, "das
Privateigentum vor den Banden der Nano - Clique zu schützten". Mit Ausnahme des
Fernsehens "Shijaku" ergriffen sozusagen alle privaten Radio- und Fernsehstationen ab
diesem Moment Partei für den Regierungsstandpunkt, welcher jetzt keine Möglichkeit
mehr hatte sich auszudrücken.

Die Situation während des Montags machte unerwartete Entwicklungen durch. Nach den
Monarchisten und den Leitern des Radios "Kontakt" wurde das zentrale Radio - und
Fernsehinformationsstudio in die Hände der ehemaligen Vizedirektorin Antoneta Malja
genommen, welche ebenfalls über die Rückkehr der wahren Demokratie sprach.
 
Um 19 Uhr ging das staatliche Radio und Fernsehen wird unter die Kontrolle der
Regierungskoalition. Einer der Mitglieder der Leitungsrates Herr Alexander Frangaj, der
gleichzeitig auch Direktor der Zeitschrift "Klan" ist, rief die Hauptleiter der Institutionen
auf an die Arbeit zurück zu kehren. Er unterrichtete, dass es aus Mangel an Journalisten
nicht möglich sei die Übertragung der Sendungen weiterhin aufrecht zu erhalten. Um 19.30
Uhr befanden sich nur drei, vier Leute im Radio und beim Fernsehen. Die Redaktion der
Satellitenübertragung war spurlos verschwunden. Wie wir vernahmen ging das Radio und
Fernsehen nach einem Ultimatum der Polizei, dass jeder Fremde, der sich nach 19 Uhr
innerhalb der Institution befinden werde, als Gesetzesbrecher angesehen werde, in die
Hand der Regierung zurückging.

Aus Mangel an Journalisten führte das Fernsehen von Tirana die nationale Trauer noch
einige Stunden über die von Berisha verlangte Zeit hinaus weiter.
 
Der Generaldirektor des Radio und Fernsehens von Albanien Adrian Klosi sagte, dass wir
uns gemeinsam solidarisieren müssen um dem Angriff der Mitglieder der UDB, der
Grossserben und jener Leute, "von denen ihr den Namen kennt und wisst wer sie sind",
entgegenzutreten.
 

Hajdari wird einsam beerdigt.

Nach der Besetzung des Fernsehens kehrte ein Teil der Manifestanten auf den
"Skanderbeg" - Platz zurück um den Sieg auf einen Militärpanzer gestiegen zu
manifestieren. Diese Ansicht wurde einige Male auf allen Informationsnetzen des Landes
gezeigt. Auf dem Panzer befanden sich einige Dutzend Leute und rundherum einige
Hundert. Unterdessen geschah eines der demaskierensten Ereignisse des Montages: Der
Sarg des ehemaligen demokratischen Abgeordneten Hajdari wurde von einer an einer
Hand abzählbaren Menge von Leuten begleitet. Bei seiner Beerdigungszeremonie befand
sich keine Fernsehkamera. Die ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf das
Schicksal der Staatsmacht. Die Leute waren aufgebrochen Hajdari zu beerdigen und
vergassen es auf den Weg, weil sich die Machtübernahme als vorrangiges Ziel
herausstellte.

Es ist nicht bekannt, ob es Dr. Berisha gelang an der Beerdigung von Hajdari teil zu
nehmen. Hervorzuheben ist, dass Berisha nicht bei den Gruppierungen der Manifestanten
anzutreffen war. Nach der Rede auf dem "Skanderbeg" - Platz verschwand er zeitweise
aus dem öffentlichen Leben und zeigte sich erneut nach der Besetzung des Fernsehens.
Zur Verwunderung rief Berisha in dieser Zeit, als die Besetzung der zentralen
Institutionen beendet war, zur Ruhe auf. Er sagte, wir respektieren auch jene, die anders
denken und dass das Problem dadurch gelöst werde, indem eine politische Lösung gesucht
werde. Ich werde der Anwalt der Demokratie sein, sagte Berisha, darum sollten sie sich
nicht in gewalttätige Handlungen verwickeln lassen.
 

Die Regierung gewinnt ihre Autorität wieder zurück.
 

Der Innenminister Perikli Teta: Ich spreche jetzt zu ihnen als Muslim und als Christ. Ich
habe mich gewaschen und habe gebetet. Ich bin bereit zu sterben. Albanien wird unter die
Kontrolle der gesetzgebenden Institutionen zurück kehren.

Der Aussenminister Paskal Milo: Wir haben alle zusammen einen Terrortag erlebt. Sali
Berisha versuchte die legitime Regierung mit einem Staatsstreich zu stürzen. Heute war in
Albanien ein Terrortag. Das albanische Fernsehen und Radio war heute in einem
kritischeren Zustand als während der Zeit der faschistischen Besatzung. Wir werden es
nicht zu lassen, dass bestimmte Kräfte in Albanien mit dem Blut der Brüder in Kosova
Missbrauch treiben.

Der Finanzminister Anastas Angjeli: Die was ein Versuch eines Staatsstreiches.
 

Der Kulturminister Edi Rama: Der Kompromiss vom 9. März soll sich nicht wiederholen.
Es soll kein politischer Kompromiss erlaubt werden, der dem Terroristen Berisha
Zugeständnisse macht.
 

Die Hauptausgabe der Fernsehnachrichten Tiranas waren von ununterbrochenen
Gewehrsalven der Bürger begleitet.

Das Messer im Rücken von Kosova.

Diesen Ausdruck verwendete der Präsident Meidani für den Akt, der gegen den
ehemaligen Abgeordneten Hajdari verübt werde, wie auch für die Handlungen, die seine
Beerdigung begleiteten. Die Besetzung der zentralen Institutionen der Regierung, des
Sitzes des Ministerpräsidenten, des Parlamentes, des Radio und Fernsehens ist einer der
schwersten Schläge, die gegen die Kosovafrage geführt wurden. Präsident Meidani sagte,
dass die politische Krise in Albanien jetzt das Kosovaproblem auf die Seite schiebe und
dies sei ein schwerer, historisch unentschuldbarer Missbrauch.

Alles was geschah spricht für eine Verschärfung des politischen Kampfes in Albanien. In
diesem Kampf hat sich die Opposition selbst keine Beschränkung auferlegt. Sie hat eine
ausserordentliche Entschlossenheit zum Sturz der Regierung gezeigt, unabhängig davon,
dass der destabilisierende Gang der Ereignisse innerhalb des Landes ein endgültiger
Missbrauch der wohlbekannten Aufopferung der Albaner für die nationale Freiheit in
Kosova bedeutet.

Im politischen Kampf in Albanien wird, besonders von jenem Teil des Spektrums, der sich
in der Minderheit befindet, weder die strenge Tradition der Würdigung des Todes
anerkannt noch das für die Freiheit Kosova vergossene Blut respektiert. Präsident
Meidani sagte, dass in den Handlungen der letzten zwei Tage in Albanien das
Antialbanertum geherrscht habe. Allein das Antialbanertum kann am Verschwinden der
Kosovafrage aus der internationalen Aufmerksamkeit, auf Grund einer provozierten Krise
mit karrieristischer Absicht in Form eines Staatsstreiches innerhalb des Landes,
interessiert sein.

Was verlangen die internationalen Institutionen?

Die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika: Dass dringend die Mörder von Azem
Hajdari gefunden werden, dass eine politische Lösung gefunden wird. Aber vor einem
Gespräch über eine politische Lösung müssen unbedingt die Waffen niedergelegt werden,
die Ruhe wiederhergestellt und friedliche Bedingungen geschaffen werden. In Albanien
wird jetzt die Demokratie unterminiert. Es soll nicht erlaubt werden, dass die tragische
Situation des vergangenen Jahres zurückkehrt. Die amerikanische Regierung verurteilt
die ausgeübte Gewalt und den ausgeübten Terror in den letzen Tagen gegen die
demokratischen Institutionen.
 
Die Erklärung der Europäischen Gemeinschaft: Wir sind sehr beunruhigt über den
tragischen Mord des demokratischen Abgeordneten. Wir sind zu einer Zusammenarbeit
bereit um dieses Verbrechen aufzuklären. In Albanien muss Friede erreicht werden, die
Ruhe wieder zurückkehren und die rechtmässigen Institutionen befreit werden. Es kann
nicht über neue Lösungen gesprochen werden ohne diese Bedingung.

Die Erklärung der UNO: Wir sind über die Situation in Albanien beunruhigt. Sie kann
auch den Konflikt in Kosova beeinflussen. Wir engagieren uns für die Rückkehr der
demokratische Rechtmässigkeit in Albanien.
Die italienische Regierung: Wenn den Ereignissen, die sich jetzt schnell entwickeln, nichts
entgegengesetzt wird, erwartet Albanien ein "schwarzer libanesischer September".

Aus den Verlautbarungen des Aussenministers Milo: Die internationale Gemeinschaft ist
ausserordentlich empört, beunruhigt und alarmiert über den heute gegen die
demokratische Regierung, die Verfassung und die Legitimität Albaniens ausgeübten
Terror. Sie unterstützt mit der ganzen Energie diese Regierung.
 

* * *
 

Die Manifestationen vom Montag wurden mit dem Raub von privatem und staatlichem
Eigentum in der Hauptstadt beendet. Tirana glich einer toten Stadt. Die Bevölkerung der
Hauptstadt schloss sich in den Häusern ein. Die Verwüstungen sind katastrophal.
 

Shaban Sinani

Zëri i Kosovës vom 17. 9. 1998





 
Der "andere Krieg" in Albanien.

 

Die Verhaftung der sechs ehemaligen demokratischen Funktionäre verursachte bei der Führung der Opposition
eine ausserordentliche Zuspitzung der Situation, die selbst erklärten, dass sie sich mit der Staatsmacht im
"Kriegszustand" befänden. An der Konferenz der Demokratischen Partei für Tirana traten ihre Führer mit dem
Aufruf auf "Los Söhne, ergreift die Gewehre, Tod oder Freiheit"! Der Führer Berisha selbst führte die
Manifestation zum Regierungssitz an, den bekannten Text von Mihal Grameno singend. Berisha hatte mittels der
Wellen des deutschen Radios "Deutsche Welle" gedroht, dass wir den Körper des Ministerpräsidenten Fatos
Nano, wie das Denkmal von Enver Hoxha, lebendig schleifen werden. An der Konferenz Ende der Woche
bestätigte er, dass der Ministerpräsident und seine Clique "unsere Feinde" sind. Berisha bezeichnete Nano als
"den Gemeinsten unter den Niederträchtigen" und Berisha selbst hat von den Sympathisanten gefordert "Nieder
mit dem Stinktier" zu schreien. Er sagte, dass der Ministerpräsident bis anhin ein Gauner gewesen sei, während er
von jetzt an ein Terrorist sei.

Bei den vom "Bündnis für Demokratie" organisierten Manifestationen wies der Oppositionsführer die Teilnehmer
vor dem Parteisitz an "Du Hund, du Hund" zu rufen. Nach einem Protest des OSZE - Büros in Tirana wegen des
an den Manifestationen verwendeten gewalttätigen Wortschatzes log Berisha, indem er sagte, dass die Parolen
aus der Menge und nicht von der Demonstrationsleitung kamen. Tatsächlich zeigte sich Berisha einige Male
hintereinander auf privaten Fernsehstationen und unterrichtete die Manifestanten vom Balkon des Parteisitzes,
dass er bestimme wie verleumdet werde. Bei den zwei während dieser Woche von der Opposition organisierten
Demonstrationen waren die Hauptparolen: "Lasst unsere Kollegen frei", "Tod dem Kommunismus", "Europa ist
auf unserer Seite", "Berisha Präsident", wie auch "UÇ", was "Befreiungsarmee" heisst, die sich als interner Flügel
der UÇK darstellt.

 

Die Spannung in Tirana erreichte den Höhepunkt im Lauf des Montags

 

Gemäss offiziellen Verlautbarungen des Innenministeriums hatte die Opposition ihre Unterstützer dazu aufgerufen
aus den Gebieten des Nordens mit der Waffe in der Hand in die Hauptstadt zu marschieren um die Regierung zu
stürzen. Der Minister Perikli Teta sagte, dass es unter diesen Umständen nicht möglich war, das Treffen auf dem
"Skanderbeg - Platz" zu erlauben, weil das Recht auf Leben wichtiger sei als das Recht zu demonstrieren. Laut
Teta konnte niemand die Garantie übernehmen, dass es während und nach dem Meeting zu keinen terroristischen
Handlungen kommen würde, weil "genaue Angaben existieren, dass es auf dem Platz bewaffnete Leute", sogar
mit Granaten, "geben werde". Aber Berisha hat darauf bestanden, dass das Meeting auf dem Platz statt finden
werde und Arbnori hat ihn unterstützt, indem er betonte, dass "wir haben die Angst erschlagen".

Die Zeitung "Shekulli" liess verlautbaren, dass "ein richtiges Antiregierungskomplott" existiere, welches "in Form
eines Marsches von bewaffneten Leuten aus den nördlichen Gebieten in Richtung Tirana realisiert würde".
Mindesten 500 Leute haben ihren Namen auf einer Liste von bewaffneten Freiwilligen stehen, die bereit sind sich
mit Berisha zu vereinigen um die Regierung zu stürzen. Es wird geschätzt, dass sich das Komplottzentrum in der
Stadt von Shkodra und in der näheren Umgebung befindet. Am Donnerstag befand sich der demokratische
Abgeordnete Dajçi an der Spitze einer regierungsfeindlichen Demonstration in Mamuras, wo während einiger
Stunden die Strasse in Richtung Norden blockiert wurde. Offiziell wurde gemeldet, dass es in der nördlichen
Region eine gefährliche Präsenz von Terrorismus und ausländischen Geheimdiensten gebe.

 

Vor zwei Wochen sind in dieser Gegend verschiedene Gruppen von alliierten Geheimdiensten, darunter auch der
CIA und der Geheimdienst der NATO, angekommen. Eine gemeinsame Operation beabsichtigt innerhalb von zwei
Wochen die Basen des Terrorismus und jener von ausländischen Agenturen zu liquidieren. In den Medien des
Landes ist von Versuchen der Opposition die Rede, eine sogenannte "Antikommunistische Befreiungsarmee",
analog der Befreiungsarmee Kosovas, zu bilden. Berisha hat gesagt, dass sich die Demokratische Partei in eine
"Befreiungsarmee der Freiheit" verwandeln werde, wenn die Regierung nicht zurücktreten werde.

 

Die Beunruhigung wegen der Möglichkeit eines gewalttätigen bewaffneten Ausbruchs wurde auch in den
Institutionen der europäischen Gemeinschaft wahrgenommen. Die OSZE war mit dem Aufruf des
Ministerpräsidenten Nano zur Beobachtung der gerichtlichen Verfahrens der sechs demokratischen Funktionäre
einverstanden und rief die Parteien auf diesen Prozess nicht mit politischen Verlautbarungen zu belasten. Der
Botschafter Den Evert wandte sich an die albanischen Politiker mit dem Aufruf sich von Gewalt fern zu halten,
indem er anführte, dass er selbst und seine Untergebenen Schritt für Schritt die Proteste verfolgen werde. Er war
fortlaufend in Mitten der Gruppierungen der Protestierenden und gleichzeitig einer der letzten, die sich vom Platz
entfernten, nachdem er sicher war, dass es keine Gewalt geben werde.

 

Was will Berisha und die Opposition?

 

"Dass die sechs ehemaligen demokratischen Funktionäre frei gelassen werden", "dass die kommunistische Clique
von Fatos Nano gestürzt wird", "der Ministerpräsident die Regierungsresidenz, wo er wohnt, verlässt", "Nieder
mit dem roten Parlament", "dass der Marionettenpräsident zurücktritt". Beim Meeting vom Freitag wurden noch
zwei neue Parolen hinzu gefügt: "Vorzeitige Wahlen" und eine andere, die Beleidigungen gegen Mejdani enthielt.

Berisha hatte gedroht, dass das Meeting der Demokraten damit enden werde, dass das Parlament, das
Ministerpräsidium, die Staatsanwaltschaft und der Präsidentensitz umzingelt würden und dass Nano auch
gezwungen würde die Villa 31, in der er wohnt, zu verlassen. Beim Meeting von Freitag trugen die Manifestanten
einen Papiersarg, auf dem Parolen gegen Nano und seine Regierung geschrieben waren.

Es gab auch Aufrufe zur Unterstützung der Gruppierungen von Leuten, die die Nationalstrasse im Dorf Lazarat
blockierten und auf die Polizei einschlugen.

Wenn Nano unter unserem friedlichen Druck nicht akzeptieren wird zu gehen, sagte Berisha, den
Ministerpräsidenten als Macbeth bezeichnend, "werden wir ihn vertreiben, indem wir ihn schleifen werden und
danach beginnt unser Sieg ". Es gab auch Bekanntmachungen, dass die Manifestanten auch das Gefängnis von
Tirana angreifen werden, um mit Gewalt die Gefangenen zu befreien. Aber unter den Bedingungen der
Beobachtung der Manifestanten aus der Nähe durch die europäischen Beobachter entwickelte sich das Meeting
der Demokraten anders als es vorgesehen war.

 

Die europäischen Politiker haben betont, dass die Einkerkerung der sechs die Ausübung von Gewalt, in welcher
Form auch immer, nicht rechtfertigen könne.

Die Vertretung der Demokratischen Partei unterrichtete Radio "Kontakt" zu Beginn, dass 15'000 Manifestanten
anwesend waren, aber später behauptete das gleich Radio, dass 100'000 Leute teilgenommen haben. Die
Manifestation endete mit der auf gegisch ausgesprochenen Parole: "Fatos Nana ist erledigt, ist erledigt, ist
erledigt". Die Manifestanten mieden die Strasse zum Parlament, aber sie zögerten nicht sich vor dem Amt des
Ministerpräsidenten, vor dem Sitz des Präsidenten, der Staatsanwaltschaft und dem Haus, wo Nano wohnt, zu
versammeln. Einige Tage davor versuchten die demokratischen Manifestanten gewaltsam in die Villa 31
einzudringen, was die Polizei zwang einzuschreiten um sie zu vertreiben.

Es wird als bedeutender Erfolg der Polizei gewertet, dass es ihr möglich war die Institutionen zu schützen, indem
sie die angekündigte Gewalt verhinderte. Der Grund dieses Erfolges ist in einer scharfen Kontrolle der
Einfallsstrassen von Tirana, besonders jener aus der Region des Nordens zu finden. Die Polizei hatte vielfältige
Massnahmen ergriffen um die Eröffnung der ersten parlamentarischen Sitzung sicher zu stellen.

 

Den Drohungen Berishas, dass wir auch das Parlament angreifen werden, antwortete Gjinushi: "Greift nur an, aber
wir werden es verteidigen". Die Eröffnung der parlamentarischen Session begann zur gleichen Zeit wie die
Manifestation der Opposition. Drei Polizeisperren sicherten die Arbeit des Parlaments, während an den
Haupteingängen Sandsäcke aufgestellt waren um die Verteidigungsarbeit der Polizei zu erleichtern.

 

Der Terror ist in Albanien immer mehr präsent.

 

Es ist nicht nur die Rede vom islamischen Terrorismus, über den in den letzen zwei Wochen gesprochen wurde. In
diesen Tagen wurde durch die Parolen der Opposition, zum Verwenden aller Waffen um die Macht zu
übernehmen und um Nano zu stürzen, zu terroristischen Handlungen aufgewiegelt. In der vergangenen Woche
griffen bewaffnete Leute eine militärische Abteilung in der Nähe von Kruja an und es gelang ihnen die Waffen
dieses Depots zu rauben. Ein ähnlicher Versuch wurde bei einer Abteilung in Mallakaster gemacht, aber er
misslang, da sich die Soldaten selbst verteidigten. Terroristen verursachten an drei Nächten hintereinander in der
Stadt von Gjirokastra Explosionen. Eine Explosion verursachte den Einsturz eines Hochspannungsmastens an
einem Knotenpunkt, von dem die Versorgung mit elektrischen Energie der drei südlichen Städte abhängt. In
Shkodra wurde nach den Explosionen in der orthodoxen Kirche im mikrobiologischen Laboratorium und im Sitz
der sozialistischen Partei Minen gelegt. Explosivstoff wurde auch in den Sitz der sozialistischen Partei in Lezha
gelegt. Sabotage- und Terrorakte ereigneten sich auch in anderen Kreisen.

 

Die amerikanische Botschafterin Lino: "Wir sind über das was jetzt in Albanien geschieht beunruhigt".

 

"In Albanien wird es keine Rache geben, die Gerechtigkeit wird ihre eigene unabhängige Arbeit verrichten.
Niemand anders als ich weiss, was Ungerechtigkeit und ein politischer Prozess heissen". Dies war der erste
Kommentar von Ministerpräsident Nano nach der Verhaftung der sechs. Die amerikanische Botschafterin Lino
äusserte nach diesem Akt, dass wir über das was in Albanien geschieht beunruhigt sind. Aber der Staatsanwalt
Rakipi sagte entschlossen, dass die Justiz gegen all jene, die gewalttätige Handlungen begangen haben, ohne
Zögern handelt werde und dass auch jene nicht verschont werden, die gesagt haben, "wir werden euch das
Lachen auf den Lippen einfrieren". Rakipi sagte, dass die Politiker schweigen sollen und der Justiz die Arbeit
überlassen solle, denn "unseren Ohren ist bewusst, was sie jetzt zu erdulden haben". Diese Erklärung des
Staatsanwaltes Rakipi rief aber bei der Gruppe der rechten Politiker eine scharfe Reaktion hervor, welche klagten,
dass das eine bolschewistische Drohung sei und dass ihnen niemand den Mund schliessen könne.

In diesen Tagen wurde bestätigt, dass auf der Liste der sechs auch der ehemalige Chef des SHIK Gazidede und
der General Agim Shehu verzeichnet sind, für welche Hilfe bei Interpol angefordert wurde um sie zu finden und an
Tirana auszuliefern. Laut dem anderen Staatsanwalt Tirana sind die Untersuchungen der Ereignisse vor einem
Jahr nur der Anfang und bis jetzt seien nur die Vorgesetzten, die mit chemischen Waffen zu tun haben, zu
strafrechtlicher Verantwortung gezogen worden. Es wurde bestätigt, dass die sechs in einen nicht ausgeführten
Befehl zur Verwendung von chemischen Waffen, die von internationalen Konventionen verboten sind, verwickelt
sind.

 

Nach der Festnahme der sechs erreichten hunderte und aberhunderte von Dankestelegramme von Bewohnern
aus den südlichen Kreisen die Staatsanwaltschaft Tiranas. Die oppositionellen Parteien, die mit Berisha nicht liiert
sind, kritisierten nur die überstürzte Verhaftung, besonders die Tatsache, dass sie in der Nacht zur
Staatsanwaltschaft gebracht wurden. Der Liberaldemokrat Ceka nannte es einen verspäteten Entschluss und
verlangte, dass die demokratische Partei als illegal erklärt werde, weil sie zu Handlungen mit der Waffe in der
Hand gegen die Regierung aufgerufen habe. Die Republikaner denken umgekehrt, dass es übertreiben sei
neokommunistische Drohungen zur Illegalisierung von Parteien auszustossen, unabhängig davon, ob die
Demokraten gewalttätig handeln. Zhulali hat gesagt, dass die Untersuchungen zu den Ereignissen vor einem Jahr
rechtens seien, aber wir sind einfach nur Marionetten gewesen.

 

Keinerlei Hoffnung besteht mehr für ein Treffen zwischen Nano und Berisha, das für Anfang des Monats
September vorgesehen war und das für eine zwischenparteiliche Übereinkunft über die Verfassung entscheidend
gewesen wäre. Anfangs verschob Berisha das Treffen auf den 17. September, aber am Meeting vom Montag
sagte er, dass wir, ohne die Freilassung unserer Kollegen, keinen Grund mehr haben uns zu treffen. Am Freitag
hatte Berisha gesagt, dass wir uns mit einem Vertreter der Sozialisten treffen können, unter der Bedingung, dass
sich unsere Delegation aus den sechs verhafteten Funktionären zusammensetzen würde.

 

Unterdessen hat Godo sich dahin gehend scharf geäussert, dass wir nicht im Sinn haben auf Berisha zu warten
um eine Unterredung am Parteientisch zu akzeptieren. Godo sagte, dass am 15. September die Annahme des
Entwurfes im Parlament beginnen werde und diese Meinung gefiel auch der Parlamentsleitung. Laut Berisha
wollte Nano gar kein Treffen und keine Übereinkunft und genau darum drängte er zur Verhaftung unserer Leute.

 

Berisha nannte den ehemaligen Minister Zhulali einen Helden der Demokratie, obwohl er ihn vor 1 1/2 Jahren als
dreckigen Verräter bezeichnet hatte. Zhulali sagte, dass die Untersuchungen der vorjährigen Ereignisse richtig
seien, aber wir sind nur Marionetten gewesen, weil die Befehle von anderen kamen. auch der stellvertretende Chef
des SHIK Bujar Rama verteidigt sich mit dem Argument, dass sie ihm befohlen haben so zu handeln, was auch die
Untersuchung beweist.

 

Mejdani könnte intervenieren um den Konflikt abzuschwächen.

 

Dies war nur eine viertel Stunde vor dem Beginn des Montagsmeetings der demokratischen Partei ein  überraschendes Eingeständnis des Präsidentenberaters Preç Zogaj im Radios. Zogaj sagte, das der
Präsident dabei sei Wege der Intervention zu studieren um die Situation zu beruhigen,
berücksichtigend, dass die Justiz das ihre machen müsse, aber dass auch die Rechte der Bürger
gewährleistet sein müssten. Er sagte, dass es keinen Grund gab, dass Zhulali mitten in der Nacht
verhaftet wurde, weil er die Möglichkeit hatte nicht mehr nach Albanien zurück zu kehren und er sich
einige Male zur Verfügung der Justiz bereit hielt.

Zogaj sagte, dass der Präsident die Unabhängigkeit der Richter nicht anrühren werde, aber es gebe
zwei gesetzliche Möglichkeiten seinen Einfluss auszuüben: Die Amnestie und die Prüfung im Hohenrat
der Justiz. Der Berater war der Meinung, dass nicht die Rede sein könne von einer Verletzung der
vorjährigen Übereinkunft vom 9. März, weil bei der versprochenen Amnestie die Handlung "Verbrechen
gegen die Menschheit" ausgeschlossen wird. Was den Charakter dieser Handlungen betrifft sagte
Zogaj, dass die Mehrheit der demokratischen Partei selbst die Anwesenheit des Genozides im Gesetz
formuliert habe und dass dieses Gesetz ein Fehler war. Darum leide die Opposition jetzt unter ihren
juristischen Fehlern. Zogaj legte den Weg und die Zeit der Handlungen des Präsidenten Mejdani nicht
fest, wie es scheint, ist jener der Amnestie, sei es auch eine Teilamnestie, der möglichste.

Die von Radio "Kontakt" verbreiteten Gedanken des Präsidentenberaters bereiten dem Präsidenten
Mejdani Probleme, der in die Position versetzt wurde, dass er den wegen Verbrechen gegen die
Menschheit Angeklagten amnestieren könnte. "Ich war mit meinem Kommentar voreilig" sagte Zogaj am
Ende der Woche, indem er die Möglichkeit einer präsidentialen Amnestie ausschloss.
 
Die albanische Regierung befindet sich gegenwärtig zwischen zwei Kämpfen: Einerseits an seiner
Staatsgrenze und andererseits wegen der Bedrohung durch einen Bürgerkrieg. Die Opposition verlangt
Waffen und ihr Oberhaupt behauptet, dass kein Mittel gespart werde um das Ziel zu erreichen. 

Dies macht es für Belgrad leichter in Kosova den Ethnozid weiter zu führen und ist für die
Befreiungsbewegung ein fataler Schlag, welche in den internationalen politischen Medien langsam als
zweitrangiges Problem behandelt wird.

Zëri i Kosovës 10. September 1998 von Shaban Sinani
Uebersetzt von Aufbau Albanien, Postfach 14'352 6000 Luzern 14