Ökologie, Humanökologie und "Überbevölkerung"

Der folgende Text erscheint mit freundlicher Genehmigung des Verlags der Buchläden Schwarze Risse/Rote Strasse als Vorabdruck aus dem Ende September erscheinenden Buch von Susanne Heim und Ulrike Schaz: "Berechnung und Beschwörung. Überbevölkerung – Kritik einer Debatte"

Ökologie als neue Leitwissenschaft

Seit den frühen 70er Jahren trat an die Stelle der Auffassung, wonach die "Dritte Welt" Erziehungsobjekt der "Ersten" sei, schrittweise das Paradigma der "globalen Verantwortung". Dieser Wandel vollzog sich vor dem Hintergrund eines wachsenden Umweltbewußtseins in Westeuropa und den USA. Die Ökologie wurde zu einer neuen Leitwissenschaft, die den Anspruch erhob, die Probleme der Welt ebenso zu definieren wie Wege zu deren Lösung anzubieten oder zumindest "eine verbindliche Orientierung für die vielfältigen Krisen des ausgehenden Jahrhunderts, die in der ökologischen Krise zu kulminieren scheinen".1 Damit einher ging der Trend zu einer globalen Betrachtungsweise nicht nur der ökologischen, sondern auch der Bevölkerungsfrage. Vom "Raumschiff Erde" war die Rede, derzufolge die Erde ein geschlossenes ökologisches System ist, das sowohl in bezug auf die Ressourcen, als auch hinsichtlich der Fähigkeit zur Regeneration bei ökologischer Belastung begrenzt ist. Die Metapher vom "Raumschiff Erde" brachte die Vorstellung einer "Zwangs-Interessensgemeinschaft aller Menschen der Welt"2 zum Ausdruck. (...)

"Bevölkerungswachstum und Umweltkrise"

Im Jahr 1972 erschien das Buch von Paul und Anne Ehrlich "Bevölkerungswachstum und Umweltkrise" in deutscher Übersetzung. Das Biologenpaar warnte vor einem ganzen Konglomerat von Katastrophen: vor den Folgen der Umweltverschmutzung ebenso wie vor einer drastischen Reduzierung der Artenvielfalt; die Erschöpfung der Energiequellen sowie der nicht-erneuerbaren Ressourcen entziehe künftigen Generationen die Existenzgrundlage. Hungerkatastrophen seien zu befürchten, Aufstände und vor allem Kriege, wahrscheinlich sogar ein Atomkrieg. Die Ursachen für diese Katastrophen seien vielfältig miteinander verknüpft; die größte Bedrohung allen irdischen Lebens gehe jedoch vom "explosiven" Bevölkerungswachstum aus. Trotz dramatischer Weltuntergangsprophezeiungen endeten die Ehrlichs mit dem, was sie "ein positives Programm" nannten. Sie forderten, daß "die Regierung der Vereinigten Staaten ihre Verantwortung wahrnimmt und das Wachstum der amerikanischen Bevölkerung stoppt." Sobald die USA damit begonnen (!) hätten "im eigenen Hause Ordnung zu schaffen, können sie dazu übergehen, die Probleme der Rückentwicklung (de-development) der übrigen Industrieländer, der Bevölkerungskontrolle und des ökologisch begrenzten partiellen industriellen Aufbaus in den Entwicklungsländern ins Auge zu fassen."3 Die US-Regierung, so Paul Ehrlich in einem Interview mit der Zeitschrift Playboy, müsse propagieren, daß jede amerikanische Familie, die patriotisch gesinnt sei, nicht mehr als zwei Kinder haben dürfe. (...) Er hoffe zwar, so Ehrlich weiter, daß die Senkung der Geburtenzahlen auf freiwilliger Basis möglich sein werde, der Tenor seiner Ausführungen ist jedoch ein anderer: Zur Not müsse eben Gewalt angewandt werden. (...) Paul Ehrlich hatte seit jeher eine intime Nähe zur US-amerikanischen Bevölkerungslobby. Bei allem wissenschaftlichen Anspruch war er sich für keine noch so platte bevölkerungspolitische Propaganda zu schade. Sein Buch "Die Bevölkerungsbombe" ist eine abenteuerliche Mischung aus ökologischen Erkenntnissen, politischen Schlußfolgerungen und einer Projektion der eigenen Ängste auf den ganzen Planeten und die Zukunft der Menschheit. Als Populationsbiologe läßt er seinen Blick von den Wanderratten über die Stubenfliegen zu den Kolumbianern schweifen. So erfährt man von Ehrlich, daß in Kolumbien "jedes Kind die unerträgliche finanzielle Last der Familie und die Verzweiflung der Mutter" vergrößert. "Das Verhängnis beginnt mit wirkungslosen einheimischen Mitteln zur Empfängnisverhütung, es folgen Abtreibungen durch Quacksalber und Kurpfuscher, Kindsmord, Frigidität, und am Ende steht nur allzuoft der Selbstmord."4

 Die Darstellung von Menschen (insbesondere denen außerhalb Westeuropas und Nordamerikas) als wimmelndes Getier fördert den Fatalismus. Obwohl bisweilen ins Groteske übertrieben, enthalten die Schreckensszenarien immer auch Versatzstücke einer realen Problembeschreibung, und nicht jede Katastrophenprognose, die zu (bevölkerungs-)politischen Zwecken funktionalisiert wird, ist deswegen frei erfunden.5 Das Problem liegt gerade in dem Sammelsurium von Fakten, Meinungen und politischen Konsequenzen, die daraus gezogen werden sowie in der Anmaßung, biologische Antworten auf gesellschaftliche Fragen geben zu können.
 
 

Kritik der "Humanökologie"

Hans Magnus Enzensberger hat das Programm der Ehrlichs 1973 einer Kritik unterzogen, die sinngemäß auch auf die unzähligen anderen Studien zutrifft, die die ökologische und die Bevölkerungsfrage miteinander verknüpfen. Die Ökologie als Teildisziplin der Biologie, so Enzensberger, sei angetreten, um die wechselseitige Abhängigkeit und Balance zwischen verschiedenen Bewohnern eines Ökosystems zu analysieren. Erst als sie den Menschen in ihre Betrachtungen mit einbezog, mit Entstehung der "Humanökologie" also, sei "dieser Wissenschaft ein Totalitätsanspruch zugewachsen (...), dem sie in keiner Hinsicht gewachsen ist. Je größer die Tragweite ihrer Ergebnisse, desto geringer ihre Zuverlässigkeit." Indem die Humanökologie komplexe, gesellschaftlich vermittelte Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt auf Biologisches reduziere, werde sie dem eigenen Hegemonieanspruch nicht gerecht und kapituliere vor der Größe der Probleme, die sie selbst aufgeworfen habe.6 Natur- und sozialwissenschaftliche Kategorien und Methoden würden unreflektiert nebeneinanderher angewandt. Unter dem Druck der öffentlichen Diskussion und unter Verweis auf die Dringlichkeit des Ziels erlangten die Aussagen der Ökologen trotz des methodischen Wirrwarrs mehr und mehr prognostische Züge. Der Mensch als Gegenstand der Humanökologie wird nicht als gesellschaftlich geprägtes Wesen begriffen, sondern Erkenntnisse aus der Forschung an Ameisen, Ratten oder Fruchtfliegen auf ihn übertragen. "Die gesellschaftliche Neutralität", so Enzensberger weiter, "welche die ökologische Argumentation für sich in Anspruch nimmt, indem sie auf naturwissenschaftliche Beweisstrategie rekurriert, ist eine Fiktion".7 Gerade die Metapher vom Raumschiff Erde aber verfestigt die Vorstellung des "Wir sitzen alle in einem Boot" und verleugnet so den "Unterschied zwischen Erster Klasse und Zwischendeck, Kommandobrücke und Maschinenraum." (...)

Die Logik der Globalstudien

Fünfundzwanzig Jahre nach den Schreckensszenarien der Eheleute Ehrlich sind deren Ansichten weitgehend zum Gemeinplatz in der Diskussion um Ökologie und Bevölkerung geworden. In den USA hat die Überzeugungskraft der Katastrophenszenarien ausgereicht, um 1985 ein breites Bündnis zwischen Umweltgruppen und Bevölkerungslobby entstehen zu lassen, das sich die Bekämpfung von Umweltzerstörung und Bevölkerungswachstum zum Ziel gesetzt hat.8

 Trotz aller scharfsinnigen Kritik hat sich der Biologismus in der Gesellschaftswissenschaft ebenso wie in der Politikberatung einen festen Platz erobert. Dazu beigetragen haben nicht zuletzt die zahlreichen Globalstudien über die Begrenztheit der Ressourcenvorräte, die zunehmende Umweltverschmutzung und das Bevölkerungswachstum, die seit den 70er Jahren entstanden sind und von denen hier nur die bekanntesten genannt werden können: Der Club of Rome, ein Verein illustrer Männer aus Industrie und Wissenschaft, gab 1972 den vom Massachussetts Institute of Technology erarbeiteten Bericht "Die Grenzen des Wachstums" heraus9 ; im Jahr 1979 erschien die Studie "Global 2000: Bericht an den Präsidenten", zwei Jahre später der sogenannte Brandt-Report "Das Überleben sichern" als Bericht der Nord-Süd-Kommission. Der Brundtland-Report führte 1987 eine neue Komponente in die Debatte um Ressourcen und Bevölkerung ein: Die Idee der "nachhaltigen Entwicklung" ist seither zum festen Bestandteil ökologischer und ökonomischer Entwicklungsmodelle geworden. Ziel ist eine Entwicklung, so der Brundtland-Report, "die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können".10 Sowohl die Definition von "nachhaltiger Entwicklung" als auch die Antwort auf die Frage, was zu deren Realisierung zu tun sei, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. So variieren die Positionen, welche Ressourcen als knapp und lebenswichtig für künftige Generationen angesehen werden ebenso wie die Ansichten darüber, ob die Veränderung der Umwelt nicht auch unter dem Gesichtspunkt ihrer sozialen Konsequenzen betrachtet werden müßte. Wenn zum Beispiel Abholzungen zugunsten eines Staudammprojekts durch Anpflanzungen an anderer Stelle kompensiert werden, so könnten sie – unter ökologischen Gesichtspunkten – als "neutral" gelten. Unbedenklich sind sie deswegen noch lange nicht: Wenn die Frauen in den angrenzenden Dörfern aufgrund der Abholzungen gezwungen werden, zum Feuerholzsammeln einen wesentlich weiteren Weg zurückzulegen, so kann von "Neutralität" keine Rede mehr sein.

 Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem, daß die Globalanalysen "Entwicklung" ebenso wie Umweltverschmutzung und Ressourcenverbrauch als meßbare Größen behandeln. Sie haben so zu der Erkenntnis beigetragen, daß die Menschen in den Industrieländern die Ressourcen im Pro-Kopf-Durchschnitt weit mehr beanspruchen, als diejenigen in den Ländern des Südens. Auf diese Weise werden aber nicht nur die Unterschiede zwischen Arm und Reich innerhalb der westlichen Metropolen ignoriert, vielmehr werden die verschiedenen "Maßeinheiten" als kompatibel angesehen: Demnach wäre also eine Verordnung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes im privaten Autoverkehr gleichermaßen ein Beitrag zur "Nachhaltigkeit" wie eine Familienplanungskampagne oder die Einführung von Langzeitverhütungsmitteln in einem asiatischen Land. Eben dies aber müßte eigentlich dazu führen, die Frage nach den Machtverhältnissen zu stellen, die in fast allen Globalstudien ausgeblendet bleibt: Wer hat die ökonomische oder politische Macht, wem welche Vorschriften zur Rettung des Planeten zu machen? Die Kritik trifft nicht nur auf die Globalstudien, sondern auch auf Studien über nachhaltiges Wirtschaften in einzelnen Industriestaaten zu.11 Die Szenarien abstrahieren in der Regel ebenso von den politischen Machtverhältnissen wie von den Geschlechterverhältnissen und den Unterschieden zwischen Frauen und Männern im Umgang mit den Ressourcen. Das Denken in Globalkategorien hat die Vorstellung gefördert, daß "Bevölkerung" ein Faktor sei, der in die Welt-Ressourcen- und Verschmutzungsgleichung mit einbezogen werden müsse. Daraus ist meist im nächsten Schritt abgeleitet worden, daß Bevölkerungspolitik im Zentrum aller Maßnahmen zur Sicherung der ökologischen Zukunft stehen müsse – in erster Linie selbstverständlich in denjenigen Ländern, in denen das Bevölkerungswachstum besonders hoch ist. Diese Sichtweise hat sich auch in der neueren bevölkerungspolitischen Diskussion in der Bundesrepublik durchgesetzt. (...)
 
 

Die ökonomische Logik des Überbevölkerungs-Arguments

Obwohl in vielen Schriften zum Thema Bevölkerung und Umwelt davon ausgegangen wird, daß selbst geringfügige Veränderungen von Konsumgewohnheiten und Produktionsmethoden im Norden weit mehr zum ökologischen Schutz der Erde beitragen würden, steht am Ende der meisten Betrachtungen immer wieder die Forderung nach einer Einschränkung des Bevölkerungwachstums in den Ländern des Südens. Der logische Bruch in der Argumentation wird mit folgendem argumentativen Hilfsmittel überwunden, auf das schon die deutschen Ökonomen der frühen 40er Jahre im besetzten Osteuropa zurückgriffen, um Mord mit ökonomischer Rationalität zu rechtfertigen: Zum entscheidenden Kriterium für die "Überbevölkerung" wird das Pro-Kopf-Einkommen gemacht. Ist es niedrig, so die Annahme, müsse alles für die Grundbedürfnisse aufgewendet werden; es könne kein Kapital akkumuliert werden und die Wirtschaft stagniere oder rotiere im "Zirkel der Armut" (...)

 Schon der Maßstab des "Pro-Kopf-Einkommens" ist problematisch, denn er suggeriert, daß sich Wohlergehen (und damit wird ein hoher Lebensstandard oder ein hohes Pro-Kopf-Einkommen im westlichen Entwicklungsmodell gleichgesetzt) quantifizieren ließe und so alle verschiedenen Lebensweisen auf der Erde nach einem universal gültigen Maßstab miteinander verglichen werden könnten.12 Zudem basiert die Argumentation auf sogenannten aggregierten makro-ökonomischen Größen: Das Pro-Kopf-Einkommen wird (ebenso wie die Nachfrage und andere Größen) im jeweiligen Landesdurchschnitt errechnet, wobei dann die erheblichen Unterschiede zwischen Angehörigen einer superreichen Oberschicht und Besitzlosen in der Statistik zu einem niedrigen Durchschnitt zusammengerechnet werden. (...)

 Auch die Annahme, daß die Kapitalbildung in den "Entwicklungsländern" dadurch verhindert wird, daß alle Überschüsse von einer wachsenden Bevölkerung konsumiert werden, ist eher fraglich. Häufig werden die Überschüsse zwar erwirtschaftet, nur nicht im Lande selbst produktiv investiert, sondern ins Ausland transferiert oder von Angehörigen der Oberschicht in Luxuskonsumgüter umgesetzt.13 Zudem bleiben wichtige Bereiche der Volkswirtschaft wie etwa die Selbstversorgungslandwirtschaft ganz aus der Analyse ausgeklammert, weil die dort geschaffenen Werte nicht in Geld oder "Pro-Kopf-Einkommen" umgerechnet in die Statistik eingehen.

 (...) Reiche Länder können nach dieser Logik gar nicht "überbevölkert" sein. Die Identifikation von Armut mit "Überbevölkerung" läßt die Forderung nach weitreichenden Eingriffen gegenüber den "überbevölkerten" Ländern umso gerechtfertigter erscheinen, weil ihre "Unfähigkeit", mit den Problemen des eigenen Landes fertig zu werden, scheinbar offenkundig ist. Bevormundung braucht daher nicht erst legitimiert zu werden, sondern wird von denen, die sie ausüben, als Hilfe verstanden. Ein Leser der FAZ dachte diese autoritäre Logik wie folgt weiter: "Können die 960 Millionen Analphabeten wirklich gleichberechtigt dazugehören? Muß nicht auch für die weiteren fünf Millliarden Menschen in den Entwicklungsländern (...) Vormundschaft übernommen werden? Es wird Zeit, daß die demokratisch regierten Industrienationen ihre Skrupel beiseite legen und sich zu einer Weltregierung aufschwingen, die sich von Wissen und Vernunft leiten läßt, um das Leben auf dem erreichten Niveau zu retten."14
 
 

Ökologie auf Abwegen: Kritik am Anthropozentrismus und Soziobiologie

Im Kontext der Ökologiedebatte ist auch das herkömmliche Verständnis vom Menschen, der sich die Erde untertan macht, hinterfragt worden. Die Kritik am anthropozentrischen Weltbild und die Anerkennung der Tatsache, daß der Mensch nur eine unter vielen Spezies sei, die die Erde bewohnen, gingen bisweilen seltsame Wege. So ist in ökobewegten Kreisen mitunter von "Bruder Igel" und "Schwester Linde" die Rede, die von der "Biomasse Mensch" bedroht würden.15 Manche UmweltschützerInnen begreifen sich als Anwälte der Natur und glauben, diese gegen den Aggressor "Mensch" in Schutz nehmen zu müssen. Dabei wird der Mensch in Gegensatz zur Natur gestellt und – unabhängig von sozialen Verhältnissen und individuellem Verhalten – als wandelndes Zerstörungspotential begriffen.16 Seine Vermehrung, das Bevölkerungswachstum, gilt als unnatürlich und als Gefahr für die Natur; und so erscheint jeder Eingriff – auch der in den Körper von Frauen in den Ländern des Südens – gerechtfertigt, um diese Gefahr abzuwenden.

 Von einer Vorstellung des Menschen als biologisch determiniertem Lebewesen gehen auch die SoziobiologInnen und VerhaltensforscherInnen aus, deren Erkenntnisse im Kontext der Überbevölkerungsdebatte eine neue Popularität erfahren haben. Aggressivität, Egoismus, Machtstreben und ein "ausbeuterischer Drang" gegenüber der Natur sind nach Ansicht des Verhaltensforschers und Konrad-Lorenz-Schülers Irenäus Eibl-Eibesfeldt ebenso angeboren wie das Bestreben, den "Fortpflanzungserfolg" zu maximieren. Ähnlich wie in der Populationsbiologie wird zur Untermauerung dieser These der Mensch mit allen möglichen anderen Lebewesen von der Graugans bis zur Bakterie gleichgesetzt. "Organismen", so der Verhaltensforscher, "nutzen opportunistisch jede Chance, möglichst viele Nachkommen in die Welt zu setzen, und zwar ohne jede Voraussicht".17 Mit einer etwas anderen Begründung nähert sich die Soziobiologie so wieder an die Positionen von Malthus an: "Überbevölkerung" als Ausdruck eines ehernen Naturgesetzes entwickelt sich quasi von allein, es sei denn, dem menschlichen Trieb wird Einhalt geboten. Was zunächst noch als purer Biologismus erscheint, geht im Fall des Biologen Eibl-Eibesfeldt auch in offenkundigen Rassismus über, wenn vom Geburtenrückgang in Europa die Rede ist. Dieser wird nicht als Linderung des zuvor rein biologisch begründeten Bevölkerungsproblems begrüßt, sondern als erster Schritt zum Aussterben eines Volkes gefürchtet. Mögliche positive Auswirkungen sinkender Geburtenraten werden laut Eibl-Eibesfeldt von einer "völlig irrationalen Einwanderungspolitik zunichte gemacht", die zudem die Gefahr "massiver biologischer Unterwanderung" mit sich bringe.18

 Susanne Heim und Ulrike Schaz: Berechnung und Beschwörung: Überbevölkerung - Kritik einer Debatte Berlin; Göttingen: Verlag der Buchläden Schwarze Risse / Rote Strasse 1996 248 Seiten, 29.80 DM ISBN 3-924737-33-9


[Anmerkungen]umblättern (leider fehlen die Anmerkungen zur Zeit noch)
http://www.berlinet.de/zag/ausgabe/20/18oekolo.htm - 15.09.1997 (link nicht mehr gültig)