Von Alain Kessi

Walter Stürm, Einbrecherprofi und "Ausbrecher-König"

"Als ich früher einmal durch St. Gallen fuhr, las ich dort auf einer Mauer 'Freiheit für Walter Stürm', und wahrheitsliebend, wie ich nun halt mal bin, bin ich sofort zum nächsten Farbengeschäft gefahren, habe einen Spray gekauft und dann unter die Mauerinschrift gesprayt: 'I bi jo dusse.' [Ich bin ja draussen.]"

Walter Stürm hat die Phantasie einer ganzen Generation von politisch Kämpfenden angeregt, diente auch als Projektionsfläche, wie er 'es denen zeigte', wenn er wieder einmal aus einem Gefängnis ausbüchste. Verschiedene Anekdoten erinnern an einen Stürm mit Herz und Humor. "Bin Eier suchen gegangen" - das vierwortige Bekennerschreiben zu seinem Ausbruch aus der Strafanstalt Regensdorf kurz vor Ostern 1981 brachte Zehntausende Staatsgeschädigte in der Schweiz und anderswo ins Schwärmen und legitimierte mit Charme antistaatliches Handeln.

Seine ersten Kontakte mit der Justiz Anfang der sechziger Jahre verdankte Walter Stürm seiner Vorliebe für schnelle Wagen ("Sicher ist, dass ich der Autos wegen anfing zu delinquieren"), die er sich als gelernter Karosseriespengler auf dem freien Markt nicht leisten konnte. Bei seinen Banküberfällen schaffte sich Stürm den Ruf eines Gentleman-Gangsters, indem er konsequent ohne Gewaltanwendung vorging. Verhaften liess er sich jeweils widerstandslos. Bei einer seiner Fluchten blieb er zurück, um einem Wärter, den ein Mitflüchtender mit einem Messer verletzt hatte, die Hand zu verbinden.

Zu seinem Ruf, er würde nur reiche Leute bestehlen, meinte er: "Mit Privatpersonen hatte ich nie etwas zu tun. Ich habe bewusst die Anonymität gesucht und vor allem Banken oder Aktiengesellschaften ausgewählt. Ich wollte mich später nicht an ein Gesicht erinnern müssen. Das klingt vielleicht etwas billig, aber so war es wirklich. Es belastete mich einfach weniger."

Bewunderung und Respekt verschaffte sich Walter Stürm in der Linken bereits in den siebziger Jahren durch seinen Widerstand gegen die Isolationshaft und allgemeiner gegen Willkür und persönlichkeitsbrechende Strategien im Strafvollzug. Sein 110-tägiger Hungerstreik Anfang 1987 gegen das Beugeregime der zürcherischen sozialdemokratischen Justizdirektorin Hedi Lang wurde 'draussen' von einer starken Solidaritätskampagne begleitet. Stürm eignete sich vertiefte rechtliche Kenntnisse an und schrieb gerichtliche Eingaben oft selbst. Im Verlauf seiner Knastaufenthalte schrieb er Tausende von gerichtlichen und behördlichen Beschwerden, in eigener Sache wie auch für Mithäftlinge.

Walter Stürm machte vor Gericht beharrlich von seinem Schweigerecht Gebrauch. Ein einziges Urteil hat er anerkannt, für den Banküberfall 1970 in Hinwil im Zürcher Oberland: "Obwohl es mir nicht gepasst hat, habe ich nicht reklamiert. [.] Ich wurde für etwas verurteilt, das ich getan hatte."

Achtmal insgesamt ist Walter Stürm aus dem Gefängnis getürmt. Er verstand sich hervorragend auf die Verkleidungskunst und veränderte sein Aussehen nach Belieben. Über 50 Wohnungen richtete er auf seinen Fluchten ein - um sie oft fluchtartig wieder zu verlassen. Darauf angesprochen, wo er das erbeutete Geld aufbewahre, meinte er: "Dort, wo alle anderen auch: auf der Bank. Nur lauten die Konten nicht auf meinen Namen." Selber kam er nur bedingt dazu, seinen zeitweiligen Reichtum zu geniessen. Dafür wartete er FreundInnen mit Geschenken auf wie ein Doppelliter Chanel 5, oder ein Hektoliter Cognac vom edelsten.

Als Walter Stürm am 20. Oktober 1998 zum erstenmal in 29 Jahren - bedingt - aus der Luganeser Strafanstalt La Stampa im Tessin entlassen wurde, mochte er sich ob der neu gefundenen Freiheit nicht freuen, vermied Gespräche über Zukunftspläne. Nach seiner erneuten Verhaftung am 10. März 1999, verdächtigt, die Filiale Horn der Thurgauer Kantonalbank überfallen zu haben, wurde ihm wieder Isolationshaft zugemutet. Er starb am 13. September 1999 in seiner Zelle. Es war sein dritter Selbstmordversuch gewesen.

Literatur: taz Nr. 2213, 21.5 1987; Facts Nr. 33, 13.8 1998; Basler Zeitung, 25.6 1999; NZZ Nr. 213/99, 14.9 1999; Weltwoche Nr. 37/99, 16.9 1999.

Briefe von Walter Stürm finden sich in WoZ Nr. 6/90, 9.2 1990; WoZ Nr. 28/92, 10.7 1992; WoZ Nr. 38/92, 18.9 1992; ein Interview mit ihm in WoZ Nr. 12/93, 26.3 1993.

Diese und weitere Artikel sind nachzulesen unter <http://www.savanne.ch/stuerm.html>. Da findet sich auch eine ausführlichere, kommentierte Literaturliste.

Dieser Artikel ist in Va Banque! Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte. erschienen. Da der Artikel aus Platzgründen leicht gekürzt werden musste, sei hier auf die ungekürzte Fassung verwiesen.


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Walter Stürm / Pressebüro Savanne / savanne@savanne.ch
Letzte Änderung 2000-10-05